Sabbatical für Superreiche: Teure Reise in die Armut

Eine Londoner Reise-Agentur bietet Millionären Auszeiten in ärmlichster Umgebung an. Die Nachfrage ist groß. Eine Geschäftsidee mit Potenzial?

Kinder am Lagerfeuer

Noch Platz für Millionäre auf Selbstfindungstrip? Lagerfeuerrunde in Tansania Foto: dpa

Es gibt eine Sehnsucht, die offenbar alle ganz unabhängig vom Einkommen teilen. Es ist die Sehnsucht nach einer Auszeit, einem Sabbatical. Es ist die Sehnsucht, dem Alltag zu entkommen, so weit wie nur möglich. Und für die Superreichen dieser Erde liegt eben die Armut in nahezu unerreichbarer Ferne. Logisch eigentlich, dass eine Lononder Reise-Agentur mit dem Namen „Original Travel“ auf die Idee gekommen ist, ihrer betuchten Kundschaft exklusive Ausflüge ins Reich der Trostlosigkeit anzubieten.

Tom Barber, ein Mitbegründer der Reise-Agentur, erzählte dem britischen Guardian, die Nachfrage nach diesen Angeboten sei groß, „ein riesiger Trend“. Er spricht von einem exponentiellen Wachstum. Natürlich ist so eine Reise in die Armut nicht ganz billig. Mitunter, erzählt Barber, gibt die Kundschaft dafür auch eine Million Pfund aus.

Oft würden die Großverdiener ihre Sabbatical-Abenteuer mit der kompletten Familie antreten. Zum einen, weil sie ansonsten ja nur selten Zeit für sie hätten. Zum anderen wollten sie ihren Kindern zeigen, wie gewöhnliche Menschen leben, und wie groß und bedeutend die Kraft des Geldes ist. Dies soll dank der Veranstalter in möglichst gesichertem Rahmen geschehen. Bei der einheimischen Bevölkerung in Botswana etwa lernen die Millionäre und Milliardäre in geschützten Verhältnissen, wie man sein eigenes Essen jagt und kocht.

Lehrer können für die Kinder gleich mitgebucht werden, damit sie den Anschluss in der Schule nicht verlieren. Und die Reiseagentur erstellt für ihre Klientel während der Reisezeit eine persönliche Webseite, damit auch die Verwandten und Freunde anschaulich informiert werden.

Prahlen mit Armut

Denn Barber weiß, dass der Hang zur Prahlerei bei einem Teil der Buchungswilligen nicht gering ist. Einige wollten dank ihres Geldes Türen öffnen, die für andere verschlossen blieben, und ihren Freunden von ihren Erlebnissen erzählen.

Auch in Deutschland kennt man die Sehnsucht nach Armut. Der TV-Privatsender RTL2 hat vor nicht allzu langer Zeit die Doku „Promis auf Hartz IV“ gedreht. Das Fürstenpaar von Sayn-Wittgenstein etwa wollte unbedingt einmal eine Auszeit von ihrem erdrückenden Luxus nehmen.

Möglicherweise könnte das funktionierende Geschäftsmodell der Londoner Reise-Agentur auch ein Baustein moderner Sozialpolitik sein. Großverdiener, die immer wieder über die Belastung von Spitzensteuersätzen klagen, sind offenbar zu großzügigen Ausgaben bereit, wenn ihnen das als Entlastung von ihrem eintönigen Alltag verkauft wird. Staatliche Stellen hätten auch einen viel besseren Überblick über attraktive Reiseziele in besonders prekäre Notlagen und könnten als Vermittler das Geld für die Sozialkassen selbst einziehen.

Die Gefahr, dass notleidende Menschen die große Nachfrage dazu nutzen, kostenlose Austauschprogramme anzubieten, muss niemand fürchten. Denn eines kann als sicher gelten: Geschenkt wollen die Reichen die Armut in keinem Fall. Sie soll schon teuer erkauft werden.

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