Ein dänisches Blatt wird grün: JournalistInnen heben nicht mehr ab

Die Tageszeitung „Politiken“ hat neuerdings strenge Regeln zum Klimaschutz. Geflogen wird nur, wenn es absolut nötig ist.

Menschen sitzen in einer Wartehalle und lesen

Für die dänische Zeitung „Politiken“ gilt zukünftig: Lieber warten statt fliegen Foto: imago/Francis Dean

Ein bisschen zu großspurig dahergeredet hat Christian ­Jensen, Chefredakteur der liberalen dänischen Zeitung Politiken. Jetzt muss er beweisen, dass sein Blatt so klimafreundlich ist, wie es tut. Denn zur Klimakonferenz im polnischen Kattowitz im Dezember verkündete Jensen: „Wir haben den Ernst der Lage verstanden“, und versprach seinen LeserInnen, das Klimathema werde von jetzt an noch mehr zum Schwerpunkt. Politiken wolle „Dänemarks Klimazei­tung Nummer 1“ werden. „Ab jetzt wird gehandelt und nicht mehr nur geredet.“

Die Leserschaft war begeistert – forderte dann aber auch genau das: Politiken solle doch gefälligst erst einmal bei sich selbst anfangen. „Klimaheuchelei“ habe die Redaktion sich vorwerfen lassen müssen, sagt Jensen. „Wie könnt ihr euch Klimazeitung nennen wollen, wenn Euer Reiseteil voll ist mit Anzeigen für Flugreisen, die zur CO2-Schweinerei beitragen und unseren Planeten zu ersticken drohen?“ Oder: „Wie könnt ihr die Leser mit Reportagen über Wochenendreisen nach Singapur oder Vietnam locken?“

Eine durchaus berechtigte Kritik sei das, gesteht Jensen, weshalb er sich nun entschlossen habe, weiter zu gehen als nur thematisch mehr zum Klima zu machen: „Wir ändern die Art und Weise, wie wir selbst reisen und wie wir über das Reisen berichten.“

Das heißt: Bei dienstlichen Inlandreisen der rund 1.000 Politiken-Angestellten soll das Flugzeug in Zukunft keine Option mehr sein. Die werden mit Bahn und Bus zurückgelegt, „außer ein Flug ist absolut notwendig“, sagt Jensen. Zwar ist Dänemark recht klein, trotzdem wird viel geflogen.

Mehr Zeit für besseres Klima

Die Hauptstrecke innerdänischen Flugverkehrs für Geschäftsleute verläuft zwischen Sjaelland, der Insel, auf der Kopenhagen liegt, und Jütland, dem „Festland“, und dort vor allem den Städten Aarhus und Aalborg. Diese Flüge dauern zwischen 40 und 45 Minuten, die Bahnreise dagegen zwischen 3 und 5 Stunden. Diesen zeitlichen Mehraufwand will die Zeitung nun ihren MitarbeiterInnen zumuten – der Klimabilanz zuliebe.

Auch der Reiseteil soll sich radikal verändern. Zwar gehören Reiseannoncen zur wirtschaftlichen Grundlage der Zeitung. Darauf könne man nicht verzichten. Trotzdem will Politiken in Zukunft weniger Reisen zu anderen Kontinenten und mehr Möglichkeiten für Urlaub innerhalb Dänemarks und in europäischen Nachbarländern abbilden.

Pro Reiseteil sei nur noch maximal ein Überseeziel erlaubt. „Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man nicht um den halben Globus reisen muss, um etwas Tolles zu erleben.“ Eine Rubrik mit Wochenendreisen, die fast durchweg nur per Flugzeug realisierbar sind, werde deshalb mit sofortiger Wirkung eingestellt.

Der erste 40-seitige Reiseteil, mit dem Politiken am vergangenen Sonntag das neue Konzept verwirklichte, macht unter der Rubrik „Reisen ohne zu fliegen“ mit einer Bahn- und Busreise zu den nordnorwegischen Lofoten auf, bei der der Reisende einen CO2-Fußabdruck von nicht mehr als 164 kg/Person hinterlässt. Mit Flugzeug oder Auto wäre es fast viermal so viel.

Glaube an flexible Gewohnheiten

Ein Skiurlaub ins schwedische Ulricehamn muss die Atmosphäre mit nicht mehr als 26 kg/Person belasten, beim Trip nach Weimar und Dessau brauchen es nicht mehr als 55 kg/Person zu sein. Und warum nicht per Bahn und Bus mit einer CO2 -Belastung von 236 kg/Person ins portugiesische Alentejo, statt mit dem Flugzeug die Klimabilanz mit 836 kg/Person zu verschlechtern? Damit man solche Vergleichszahlen für alle möglichen Reiseziele selbst ausrechnen kann, gibt es auf der Website von Politiken auch einen „Klimarechner“.

Völlig verständnislos reagiert auf all das die Boulevardzeitung Ekstrabladet, die beim selben Verlag erscheint. „Typisch Politiken“, sei das, meint Chefredakteur Poul Madsen. „Solcher Reisejournalismus ist nichts für uns. Unsere Leser wollen wissen, wie sie am billigsten Urlaub machen können.“ Politiken könne ja gerne „Ablasshandel“ betreiben, für Ekstrabladet würden „Klimaferien“ erst Thema werden, wenn die Leser dies wollten. „Medien sollten nicht zu hysterisch werden.“

„Wir wollen unseren Lesern doch nichts vorschreiben“, verteidigt sich Jensen. „Wir glauben aber, dass wir Gewohnheiten ändern können.“

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