Kältebus-Fahrer über seine Erlebnisse: „Da ist jemand, der guckt“

Seit Samstag fährt der Kältebus der Alimaus und kümmert sich um Obdachlose in Hamburg. Ein Gespräch mit einem der Fahrer über seine nächtlichen Erlebnisse.

Der pinkfarbene Kleinbus der Alimaus.

Auf „schwammig“ festgelegten Routen unterwegs: Joachim Behrens im Kältebus Foto: Alimaus

taz: Herr Behrens, Sie fahren seit Samstag den Kältebus – kann den jeder anrufen?

Joachim Behrens: Ja. Es funktioniert so: Wir werden angerufen. Jemand berichtet, dass zum Beispiel an der Sternschanze jemand liegt und sich nicht mehr rührt. Dann fahren wir dahin und schauen, was mit ihm oder ihr ist. Wenn er oder sie nicht mehr ansprechbar ist, rufen wir den Rettungswagen. Wenn er oder sie ansprechbar ist, können wir klären, ob ihm kalt ist oder wir etwas für ihn tun können, beispielsweise ins Winternotprogramm fahren, ihm einen Schlafsack, eine Isomatte oder „nur“ einen heißen Tee geben.

Was genau macht der Kältebus?

Der Kältebus fährt eine mehr oder weniger vorgefertigte Tour. Aber wir haben ein Telefon an Bord, die Nummer steht auf dem Kältebus drauf und ist im Internet zu finden, da kann angerufen werden. Wir verteilen auch Flyer, wo die Kältebusnummer drauf steht, wir haben die Nummer den Infoschaltern der Bahn, der S-Bahn-Security am Hauptbahnhof und an der Sternschanze gegeben. Und das verteilt sich wie ein Schneeballeffekt, es läuft also wunderbar!

Fährt man immer wieder zu den gleichen Stellen?

Wir fahren ja eine schwammig festgelegte Route, wir werden durch Anrufe und Hinweise ja auch zu neuen Orten geschickt, aber da wir schon jetzt ein paar Mal zu den gleichen Orten gefahren sind, sehen das auch die Obdachlosen. Die finden das ganz toll, da ist jemand, der guckt jeden Tag nach.

Warum gibt es den Bus gerade jetzt?

59, fährt den Kältebus. Er ist schon seit Jahren in der Obdachlosenhilfe der Johanniter aktiv.

Der Kältebus ist eine Initiative von der Alimaus, dem Hamburger Gabenzaun, den Bergedorfer Engeln, dem Johanniter Gesundheitsmobil und einigen anderen und wurde aufgrund dessen, dass in diesem Winter schon vier Obdachlose erfroren sind, ins Leben gerufen. Ronald Kelm, unter anderem einer der Organisatoren des Johanniter Gesundheitsmobils, hat mit Christiane Hartkopf, der Leiterin der Obdachlosenhilfe Alimaus, zusammen gearbeitet und die zwei haben relativ schnell die Mittel bekommen und ein Team zusammengestellt.

Welche Mittel?

Den Bus zum Beispiel, der Bus ist von Auto Wichert günstiger zur Verfügung gestellt worden. Initiator ist die Alimaus, die sammeln Spenden für die Versorgung des Busses.

Sie waren jetzt drei Nächte unterwegs, haben Sie auch negative Erfahrungen gemacht?

Nein. Wir hatten bisher wirklich positive Erfahrungen. Da meine Frau am Samstag hinten saß, hat sie auch öfter gesehen, wie vorbeifahrende Autos uns einen Daumen hoch gegeben haben. Gut, eine kleine negative Erfahrung haben wir gemacht: Wir sind in Schneckentempo durch die Lange Reihe gefahren, um zu schauen ob bei den Eingängen jemand liegt, und dann hat sich beim Halten an einer Ampel ein wildgewordener Taxifahrer hinter uns aufgeregt.

Der Bus ist täglich unterwegs von 19 bis 24 Uhr. Man kann ihn unter der Nummer 0151-65683368 anrufen.

Er hat nur eine grobe feste Strecke, reagiert aber vor allem auf Anrufe, die ihn zu bestimmten Orten schicken. Jeder kann den Bus anrufen, wenn er Obdachlose sieht und sich nicht sicher ist, ob es diesen gut geht.

Anders als beim Mitternachtsbus der Diakonie, bringt er Menschen ins Winternotprogramm und verteilt kein Essen.

Gibt es Voraussetzungen für die „Behandlung“ oder Mitnahme eines Obdachlosen?

Das muss man von Fall zu Fall selbst entscheiden. Deshalb ist die Besetzung des Busses auch entweder erfahren in der Obdachlosenhilfe oder medizinisch erfahren. In der ersten Nacht bin ich mit meiner Frau und einer Krankenschwester gefahren, die dann schon gut wussten, was zu machen ist. Wir sehen: Müssen wir einen Arzt anrufen? Müssen wir ihn ins Winternotprogramm fahren? Oder ist er „nur“ betrunken? Kann sich aber selbst helfen? Aber es gilt immer: Wenn er nicht will, will er nicht, man kann niemanden zwingen.

Man kann sich auch einfach weigern?

Ja, natürlich! Wir greifen niemanden auf und fahren ihn gegen seinen Willen irgendwohin.

Macht es einen Unterschied, wenn jemand volltrunken ist?

Ein Obdachloser, der volltrunken ist, ist ja kein anderer Mensch nur weil er getrunken hat. Eher ist aber die Schwierigkeit: Spricht er deutsch? Können wir irgendwie kommunizieren? Relativ viele Osteuropäer sprechen ihre Sprache und mehr nicht. Und wenn dann noch jemand volltrunken ist, wird’s echt schwierig.

Ist das eine nachhaltige Lösung?

Der Kältebus ist sicherlich nicht genug für Hamburg. Die Veröffentlichungen der Stadt sagen, es gibt offiziell über 2.000 Obdachlose in Hamburg, wie immer ist die Dunkelziffer natürlich wesentlich größer. Es muss viel mehr für die Obdachlosen getan werden.

Was wären für Sie Lösungsansätze?

Dass sich der Hamburger Senat vielleicht mal mit den ganzen großen Vereinigungen zusammensetzt und sagt „Hey, ihr seid doch die Leute von der Basis. Was kann man tun? Was schlagt ihr vor?“

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