Aus taz FUTURZWEI: „Flugtaxis sprengen Ihre Fantasie“

Wie sehen Sie künstliche Intelligenz, Dorothee Bär? Die Digital-Staatsministerin über Ängste, Konservativismus und die digitale Erziehung ihrer Kinder.

Ein Porträtfoto der Politikerin Dorothee Bär, sie grinst, im Hintergrund steht eine vergoldete Statue

„What you see is what you get“: Dorothee Bär Foto: Alexander Gehring

Dorothee Bär hat ihr Büro im sechsten Stock des Kanzleramtes in Berlin. Die Staatsministerin für Digitales zeigt erst einmal den großartigen Blick, den man von hier hat. Auf der einen Seite über den Reichstag Richtung Osten, auf der anderen über das Haus der Kulturen der Welt hinweg Richtung Westen. Dann bittet sie an den Besprechungstisch und schaut länger auf das vor ihr auf dem Tisch liegende Cover der taz FUTURZWEI, die wir mitgebracht haben, mit drei jungen Frauen auf dem Titel.

Dorothee Bär: Die Frau mit dem Hut ist Diana Kinnert, klar. Das links ist Marie Nasemann? Und wer ist sie in der Mitte?

taz FUTURZWEI: Aline Abboud, Nachrichtenredakteurin des ZDF.

Danke, das musste ich klären. Weil ich mich sonst nicht konzentrieren kann.

Dann jetzt voll konzentriert, Frau Bär: Ist künstliche Intelligenz ein Hype?

Ich glaube, dass der Deutsche an sich hofft, dass es nur ein Hype ist.

Der Deutsche an sich?

Ja, ich sage es deshalb so, weil wir ja schon sehr bedenkenträgermäßig geprägt sind in unserem Land. Das ist der Durchschnitt von dem, was ich erlebe. Wenn ich das diskutiere, spüre ich eine starke Hoffnung, dass das alles Hype-Themen sind, ob das nun Blockchain ist, Quantencomputing oder das berühmte Flugtaxi.

Von dem Sie in Ihrem ersten „heute-journal“ nach Ihrer Ernennung zur Staatsministerin gesprochen haben.

Wir wollen sehr stark in Ruhe gelassen werden. Bloß nichts verändern müssen, man hat sich ja doch auch im Großen und Ganzen gemütlich eingerichtet.

Im Vergleich mit anderen Zeiten haben wir viele Gründe, die Fortschritte der Nachweltkriegszeit bewahren zu wollen.

Gottseidank. Ich bin ja auch schon zweite Nachkriegsgeneration, meine Großeltern haben den Krieg noch erlebt, meine Eltern sind schon Nachkriegsgeneration, 1947 und 1951 geboren. Aber wir sind halt sehr satt geworden.

Das Cover des Magazins taz FUTURZWEI

Künstliche Dummheit. Es gibt bisher keine gesellschaftliche Diskussion über KI, sondern nur ihre Verabsolutierung. Tenor: Das kommt jetzt, damit die Wirtschaft nicht abgehängt wird, die Autos selbst fahren und die Roboter beim Sex deinen Namen herausschreien. Brauchen wir das?

Was wir wirklich brauchen, ist eine gesellschaftliche Klärung: Moment mal, was wollen wir und wozu? Damit fangen in der neuen Ausgabe von taz FUTURZWEI an. Mit Yuval Noah Harari, Dorothee Bär, Kevin Kühnert, Yasmina Banaszczuk, Pippa Goldschmidt, Wolf Lotter, und vielen weiteren.

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Das ist ein starker Vorwurf.

Das sehe ich so. Wann entsteht denn etwas Großes? Wenn eine Notwendigkeit besteht. Wenn man sagt: Wir müssen jetzt springen, wir müssen jetzt mutiger sein. Ich wüsste nicht, wann wir in den letzten Jahren mal so mutig gewesen wären zu sagen, wir blicken mal nicht nur bis zum Ende der Legislaturperiode, sondern fragen, was in zehn, zwanzig Jahren ist. Wo wollen wir hin?

Wo wollen Sie hin?

Worauf ich hinaus will: Uns fehlt der Druck. Wir sind nicht bereit zu sagen, wir machen, zum Beispiel, eine Revolution im Bildungssystem. Wir sagen: Wir sind doch eine erfolgreiche Industrienation. Aber das macht uns nicht automatisch zu einer erfolgreichen Digitalnation.

Wenn man die künstliche Intelligenz anschaut, sind wir jetzt beim dritten Euphorie-Hype. Zweimal folgte Ernüchterung. Auch jetzt ist es so, dass die KI zwar selbst lernen kann, aber nur innerhalb klar definierter Probleme. Oder wie schätzen Sie die Potenziale ein?

Ich finde es spannend, dass Sie Euphorie feststellen. Ich erlebe große Ängste. Wie viel Arbeitsplätze fallen weg, was bedeutet das für unser Sozialsystem? Deshalb entstehen jetzt auch solche Vorschläge wie die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Oder: Wenn wir alle wegrationalisiert sind und die Roboter uns übernommen haben, werden wir keine Rolle mehr spielen. Die Ängste habe ich persönlich überhaupt nicht, nehme sie aber ernst.

Also sind Sie die Euphorische?

Das wäre vielleicht zu viel, aber ich sehe das überwiegend sehr positiv. In Ansätzen euphorisch bin ich, was KI leisten kann, im medizinischen Bereich und besonders in der Diagnostik. Da sagen auch seriöse Ärzte, dass niemals ein Kollege von ihnen so gut sein wird wie eine Weiterentwicklung von IBM Watson oder ähnlichen Systemen. Selbst wenn sich alle zusammenschlössen, würden sie das Hundertfache an Zeit brauchen und hätten eine viel höhere Fehlerquote. Die Therapie ist wieder eine andere Frage, aber für die Diagnostik ist KI sehr vielversprechend.

Es wird am Ende weiter den Menschen-Arzt brauchen?

Wenn die einfachen Diagnosen vom Computer gemacht werden, nur die ganz schwierigen Fälle vom Menschen beurteilt werden, und der Arzt zudem von Dokumentation oder anderen lästigen Arbeiten entlastet wird, kann er durch die KI besser werden.

Theoretisch könnte die Beziehung zwischen Ärztin und Patient aufgewertet werden und nicht abgeschafft?

Definitiv, auch die zwischen Pfleger und Patient. Wenn bestimmte körperliche Belastungen für sie wegfallen, können auch Pflegekräfte ihren Beruf länger ausüben.

Ihre Gesellschaftsdiagnostik, dass die Leute verteidigen wollen und sich nicht bewegen, ist ja für eine konservative Partei wie Ihre CSU ideal.

Das sehe ich nicht so. Ich bin über jede Bewegung froh.

Dann müssen Sie den Konservatismus neu definieren für unsere historische Situation und Problemstellung. Da reichen Kruzifixe nicht?

Für mich ist Konservatismus ganz klar definiert. Schon immer. Aus der Bibel heraus zitierend: Darum prüfet alles, das Gute aber behaltet. So einfach ist das. Alles, was sich bewährt hat, stellt man nicht infrage. Wenn sich etwas nicht mehr bewährt, muss man neue Wege gehen und die Möglichkeit haben, umzusteuern. Strauß hat mal gesagt…

Oje.

… konservativ sein heißt an der Spitze des Fortschritts marschieren.

Gerade dieser Strauß-Spruch kommt heute bei Altkonservativen nicht mehr gut an.

Ich sehe das aber so.

Dorothee Bär über Flugtaxis

„Natürlich können Sie hier in Berlin schön sagen, Sie fahren mit dem Fahrrad. Aber wenn Sie das in meinem Wahlkreis sagen, dann werden Sie vom Hof gejagt.“

Da sind Sie in einer Minderheit.

Ich glaube, dass Strauß in Berlin nie gut ankommt. Es liegt mir auch fern, immer Strauß zu zitieren. Es gibt viele Zitate, die ich nie zitieren würde. Das hier schon. Unsere Partei steht auf vier Säulen. Konservativ, liberal, christlich – den Umweltgedanken und die Bewahrung der Schöpfung eingeschlossen – und das Soziale. Das ist wie bei einem Stuhl mit vier Beinen, wenn eines zu kurz ist, ruckelt es.

Die Frage ist, wie Sie das konservative Bedürfnis und die notwendige progressive Dynamik zusammen kriegen, die Sie vermissen. Ohne dass wir alles mitmachen müssen und mit dem Flugtaxi durch die Gegend fliegen. Wir haben da kein Interesse daran.

Warum nicht?

Weil wir, zumindest in Berlin, mit dem Fahrrad fahren können.

Weil Sie es sich vielleicht auch nicht vorstellen können. Weil das Ihre Vorstellungskraft sprengt. Was sind Sie für ein Jahrgang?

1963.

So, ich bin 1978, und wir sind beide schon alt im Vergleich zu denjenigen, die im Jahr 2018 auf die Welt kommen, mit drei Jahren die ersten Flugtaxis sehen. Die sagen dann eben nicht: Das interessiert mich nicht oder damit komme ich nicht zurecht. Es gibt Theorien, die sagen: Alles was da ist, wenn man auf die Welt kommt, wird als normal gesehen. Was später dazu kommt, davor fürchtet man sich.

Wir fürchten uns nicht vor Flugtaxis, wir brauchen sie nicht.

Natürlich können Sie hier in Berlin schön sagen, Sie fahren mit dem Fahrrad. Aber wenn Sie das in meinem Wahlkreis sagen, dann werden Sie vom Hof gejagt. Ich fahre auch gern Fahrrad und ich lauf auch gern, aber in meinem Wahlkreis sind sie aufgeschmissen, wenn sie kein Auto haben. Da ist das Ziel eingekaufte Mobilität. Und als Zwischenschritt ist vielleicht möglich, dass nicht jeder zwei Autos zu Hause hat. Das ist im Moment Realität. Ich habe auch drei kleine Kinder, alle drei machen etwas anderes, zusammen machen sie zehn bis zwölf Aktivitäten in der Woche, zu zweien können sie laufen, beim Rest muss sie jemand fahren, das ist zu weit. Da gibt es keinen ÖPNV. Und selbst wenn, würde keiner ein Kindergartenkind alleine in den Bus setzen.

Wir sind auch vom Land, wir kennen die Probleme.

Ja, dann wissen Sie aber auch, dass man nicht sagen kann, Flugtaxi interessiert mich nicht. Da geht es auch darum, Mobilität in die Luft zu verlagern, um weniger Abnutzung zu haben, was Infrastruktur betrifft. So etwas ersetzt doch nicht Radfahren, sondern es ersetzt Autofahren. Ich will jetzt nicht Stoiber zitieren, aber wenn fünf Leute vom Münchener Flughafen zum Hauptbahnhof wollen, dann kann jeder einzeln in ein Taxi steigen. Die brauchen dann sechzig Minuten und stehen alle auf der A9 im Stau. Oder Sie transportieren die fünf Leute in einem Flugtaxi und sind in unter zehn Minuten vor Ort.

Die entscheidende Frage ist doch, ob autonome Fahrzeuge nicht in Wahrheit anti-autonom sind; nämlich weitere Datenabsaugmaschinen. Wir nicht Kunde, sondern Produkt.

Da sind wir bei einer ganz anderen Frage: Wie schaffen wir es, dass wir nicht unsere Freiheit aufgeben, sondern selbstbestimmt über unsere Daten herrschen können? Solche Verkehrsdaten können sehr persönlich sein. Denken Sie an eine Person, die regelmäßig zu einer Adresse der Anonymen Alkoholiker oder zu einer Fruchtbarkeitsklinik fährt. Diese Daten spiegeln also wider, was Geist und Herz beschäftigt, und betreffen damit unser Innerstes. Um eine Analogie aus dem physischen Bereich zu nehmen: Ich kann mich ganz bewusst entscheiden, ob ich Blut oder eine Niere spende. Die gleiche Klarheit und Entscheidungsfreiheit für jeden Einzelnen brauchen wir auch bei der Frage, wem ich Zugriff auf meine Daten gebe. – Ob nun ein amerikanisches oder in Zukunft ein chinesisches Unternehmen zugreift oder der Staat.

Bär ist Staatsministerin für Digitales, MdB und stellvertretende Vorsitzende der CSU. Geboren am 19. April 1978. Verheiratet, drei Kinder. Kam mit 24 in den Bundestag. Ihr Wahlkreis ist Bad Kissingen, Unterfranken. 82.000 Twitter-Follower, 20.000 Instagram-Follower.

Die Frage, wie man die Daten der Leute schützt, ist eine zentrale.

Die Selbstbestimmtheit ist momentan nicht gegeben, weil wir im Zeitalter der Exzesse leben. Genauso wie zu Beginn der Industrialisierung, als es Kinderarbeit gab, keine Gewerkschaften, keine 38-Stunden-Woche. Die gleichen Exzesse haben wir jetzt. Im Moment sind wir uns nicht einig, ob wir diesen Exzessen einen Riegel vorschieben können. Manche sagen, wir können es gar nicht mehr. Es sei alles schon zu spät.

Was meinen Sie konkret mit Exzessen?

Dass niemand weiß, wann und wie er getrackt wird. Manche sagen, sie kriegen das schon raus, aber der, ich nenne ihn mal, Otto Normalverbraucher hat gar keine Ahnung, wer alles Zugriff auf die ganzen Daten hat, nicht nur Bewegungsdaten, auch Inhalte. Was mit den Daten geschieht, wie die weiter verkauft werden und und und. Den Ansatz verstehe ich, dass Sie es deswegen nicht wollen.

Wo bleibt die Privatheit als zentrales Moment von Demokratie?

Ich fände es in dem Zusammenhang wichtig, eine andere Begriffsdefinition zu machen, zwischen Privatheit auf der einen und Transparenz auf der anderen Seite. Da haben wir auch im politischen und gesellschaftlichen Diskurs keine richtige Antwort gefunden, was in einem digitalen System an Privatheit möglich ist und wie es gleichzeitig trotzdem eine gewisse Transparenz an den Tag legt.

Ihr Vergleich mit dem Manchester-Kapitalismus ist interessant. Da gab es dann eine Arbeiterbewegung, die gegen diese Exzesse gekämpft hat. Bei den Exzessen der Digitalisierung fehlt das oder sehen Sie eine Bewegung?

Ich sehe wenig bis gar keinen Widerstand.

Was bedeutet das politisch, wenn es keine zivilgesellschaftliche Bewegung gibt, richtet man sich ein und die großen Unternehmen bleiben unangetastet?

Es ist auch bequem für die Politik, wenn kein Widerstand da ist. Es ist schwer, notwendigen Druck aufzubauen, wenn die Leute nicht auf die Straße gehen und sagen: Meine Daten gehören mir.

Betrachten Sie es auch als Ihre Aufgebe zu sensibilisieren?

Ja, ich betrachte das als meine Aufgabe und auch, jedem Kollegen jeden Tag zu sagen, dass es nichts Wichtigeres gibt als das Thema Digitalisierung in all seinen Facetten. Aber wie Sie sehen, gibt es tagesaktuelle Ereignisse, die immer viel wichtiger sind beziehungsweise scheinen.

Das heißt, dass wir keine Debatte führen über das, was unser aller Leben verändern wird.

Gar keine würde ich nicht sagen, aber zu wenig, definitiv. Und immer mindestens eine Legislaturperiode zu spät. Das fängt bei Strukturen an, der Schaffung dieser Position zum Beispiel. Ihre philosophischen Gedanken jetzt hier: Da wäre ich froh, wenn wir die schon diskutieren könnten, aber wir sind ja noch nicht mal auf einer konkreten Ebene dazu in der Lage, die über einen Zeitraum von 12 Uhr bis Mittag hinausgeht.

Es gibt keine Technologie, die unsere Welt so stark imprägniert wie diese. Positiv und negativ. Die große Frage lautet: Ist die negative Seite demokratiekompatibel?

Sie werden es nur schaffen, dass die Menschen selbstbestimmter an das Thema herangehen, wenn wir auch in der Digitalisierung ein Zeitalter der Aufklärung bekommen. Analog zum Buchdruck, zu Gutenberg, als nicht mehr nur Mönche Lettern abgeschrieben haben. Ich erlebe oft, dass die Mehrheit der Leute sagt: Das betrifft mich doch gar nicht mehr.

Was tun?

Dieses neue Zeitalter der Aufklärung hat einen Schlüssel, und das ist für mich Bildung. Tenor ist im Moment aber eher wieder: Lass es aus den Schulen heraus, die Kinder kommen noch früh genug damit in Verbindung. Das kommt nicht unbedingt von Lehrern, sondern sehr stark von Eltern, weil sie mit einer neuen Herausforderung in der Erziehung konfrontiert sind: Sie haben nicht die Hoheit, weder über die Daten, noch über das Wissen, noch haben sie die Fähigkeiten, um mit ihren Kindern Schritt halten zu können. Deshalb kommt da eine Vogel-Strauß-Methode.

Über die Erziehung ihrer Tochter

„Die Zwölfjährige hat ein Handy, aber sie darf, zum Beispiel, keinen offenen Instagram-Account haben. Bei jeder Freundschaftsanfrage lasse ich mir das vorlegen, 99 Prozent muss ich ablehnen, weil wir die nicht persönlich kennen. Deshalb hat sie auch nur 40 Follower. Was zu ganz großen Verwerfungen führt, weil sie es natürlich unmöglich findet, dass ich 20.000 habe und sie 40.“

Was sollen Kinder lernen?

Da geht es nicht nur um die reinen Fertigkeiten wie Robotik oder Programmieren, sondern beispielsweise auch schon um das sogenannte Computational Thinking. Was ist ein Algorithmus, was macht das mit einem, warum hast du andere Suchergebnisse als dein Nachbar, obwohl ihr den gleichen Suchbegriff eingegeben habt, warum beherrscht ihr nicht die Technik, sondern lasst es zu, euch von der Technik beherrschen zu lassen?

Manche Silicon-Valley-Milliardäre …

Jetzt kommt das Argument.

… schicken ihre Kinder auf Waldorfschulen, damit die nicht mit dem Digitalzeug in Berührung kommen, mit dem sie angeblich die Welt besser machen wollen.

Ich habe nichts gegen Waldorfschulen und bin ein großer Fan von Montessori-Schulen, von denen viele digitale Vorreiter sind. Von dem Argument mit dem Milliardär halte ich überhaupt nichts, weil dieses Argument von denen benutzt wird, auch von meinen Kollegen, die sagen, wir müssen die Kinder beschützen und daher von der Digitalisierung abschirmen. Das ist eine elitäre Diskussion, die über vereinzelte Milliardärskinder stattfindet. Im Übrigen kann mir keiner erzählen, dass diese Eltern nicht auch eine Mischung aus „sowohl als auch“ machen.

Sie selbst verbieten Ihren Kindern gar nichts Digitales. Die dürfen alles.

Nein, so habe ich das nicht gesagt. Außerdem darf ja nur eine. Die anderen beiden sind zu klein.

Was ist die Altersvorschrift?

Unsere Große ist jetzt zwölf und hat mit zehn Jahren ein Handy bekommen. Ich habe natürlich Zugang zu ihrem Handy. Muss ihn aber nicht nutzen, weil sie extrem vernünftig ist. Das wird bei den zwei Kleineren eventuell eine größere Herausforderung sein, da müssen wir als Eltern individuell schauen.

Sie kontrollieren also nicht?

Ich kontrolliere schon auch und bin streng. Sie darf, zum Beispiel, keinen offenen Instagram-Account haben. Bei jeder Freundschaftsanfrage lasse ich mir das vorlegen, 99 Prozent muss ich ablehnen, weil wir die nicht persönlich kennen. Deshalb hat sie auch nur vierzig Follower. Was zu ganz großen Verwerfungen führt, weil sie es natürlich unmöglich findet, dass ich zwanzigtausend habe und sie vierzig. Sie sieht es nicht ein, dass ich sie anders behandele, als ich selbst meiner Arbeit nachgehe.

Sie haben mal gesagt: Ich habe sogar mehr Follower als Ministerpräsident Söder. Was sagt uns das?

So habe ich es auch nicht gesagt. Ich sagte scherzhaft, dass ich meinen Account schöner finde. Da streiten wir immer drüber. Er findet ganz viel verrückt, was ich mache auf meiner Seite. Und da sagte ich mal: So ganz falsch kann es nicht sein, ich habe immerhin mehr Follower als du. Das ist mehr so ein gegenseitiges Frotzeln.

Sie machen da so Landlust-Ästhetik.

Finden Sie?

Ja.

Echt?

Kommentieren Sie jetzt nicht?

Ich empfinde es nicht so. Ich finde aber Landlust-Ästhetik per se sehr schön. What you see is what you get. So bin ich halt nun mal. Ich würde genauso Glitzer und Einhorn und Heimat und Heimatliebe machen, wenn ich Grundschullehrerin wäre. Das bin ich und das kriegen Sie. Die Bürgerinnen und Bürger wissen bei mir ganz genau, woran sie sind.

Auf der Suche im FAZ-Archiv nach einem großen Interview von 2018 mit Ihnen findet man auch eines, aber nicht über Digitalisierung, sondern über High Heels. Was bedeutet das?

Das war die Idee der FAZ. Ein High-Heels-Interview hätte ich keiner Frauenzeitschrift gegeben, aber wenn eine altehrwürdige Zeitung wie die FAZ der Meinung ist, über Mode und Schuhe sprechen zu wollen, dann habe ich mit Augenzwinkern gesagt: Ist doch wunderbar, wenn man ein Interview geben kann über ein Thema, bei dem man sich super auskennt.

Sie lachen. Absätze dürfen nicht über drei Zentimeter sein, hat man Ihnen mal gesagt, sonst kannst Du keine Karriere machen.

Drei Zentimeter nicht, aber nach dem Motto: Mit hohen Schuhen ist es schlecht, hör mal auf damit. Ich habe heute seriöse taz-Schuhe an, ganz flach.

Witzig.

Mir macht Mode Spaß. Das darf man als deutsche Politikerin nicht sagen, das ist ganz böse. In Frankreich ist es stattdessen erlaubt. Wenn ich jedes Mal überlegen würde, was man nicht darf und was sich nicht schickt, hätte ich keinen Spaß mehr am Leben und dann würde ich das ausstrahlen. Wir haben genug muffelige Leute herumsitzen. Außerdem versuche ich nach Sheryl Sandbergs Zitat zu leben: What would you do if you weren't afraid.

Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

Das heißt, Chancen zu sehen und sich nicht von diffusen Ängsten leiten zu lassen. Ich übe meinen Beruf mit einer extrem hohen Leidenschaft aus.

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