PR-Berater über politische Fake-Plakate: „Richtig Stimmung machen“

Coca Cola retweetet ein Fake-Plakat, das ihr Logo klaut? Indirekte Stellungnahmen wie diese sehe er häufiger, sagt PR-Berater Dirk Popp.

Plakat auf Berliner Straße, darauf abgebildet ein Nutellaglas vor weißem Grund, darüber der Slogan "Lieber braun auf's Brot als braun im Kopf!"

Noch ein Fake: Adbusting-Plakate mit Anti-AfD-Botschaften tauchten auch im Namen von Ferrero auf Foto: Stay Behind Foundation

taz: Vor gut einer Woche sorgte in Berlin ein Werbeplakat für Aufsehen, auf dem sich Coca Cola gegen die AfD positionierte. Es stellte sich als Fake heraus – und doch wurde Coca Cola im Zusammenhang mit der Aktion in vielen Sozialen Netzwerken positiv erwähnt. Ist so etwas Zufall – oder Ergebnis von gelungener Social Media-Arbeit der Unternehmen?

Dirk Popp: Praktisch alle Unternehmen beschäftigen heute eigene Social Media Teams oder Agenturen, die sich intensiv mit Aktivitäten in sozialen Netzwerken beschäftigen, im Grunde passiert das sieben Tage die Woche, 24 Stunden. Wenn die Teams und die Werkzeuge gut sind, werden auch kritische Themen früh gefunden, bevor sie größere Kreise ziehen oder in klassischen Medien erscheinen. Moderne Monitoring-Verfahren machen es für Marken relativ leicht, sich ein Bild darüber zu verschaffen, was so im Netz über sie diskutiert wird. In Krisen können sie dadurch relativ schnell reagieren. Die Bewertung des Vorfalls und wie und in welchem Ausmaß in Bezug reagiert wird, übernehmen dann üblicherweise die Profis in den PR-Abteilungen.

Große Marken halten sich häufig bedeckt, sobald es um politische Themen geht. Ist es in Zeiten wie diesen nicht viel ratsamer eine klare Stellung zu beziehen?

Nach meinem Eindruck positionieren sich Unternehmen heute viel stärker als vielleicht noch vor zehn Jahren. Mitarbeiter und Kunden erwarten das einfach. Dennoch sind Marken üblicherweise extrem sensibel, wenn es darum geht in welchem Umfeld sie genannt werden. Gerade wenn es um es politische Themen geht.

Aber indirekt positionieren sie sich, in dem sie beispielsweise in sozialen Medien Fake-Plakate in ihrem Namen teilen oder retweeten! Coca Cola retweetet das Anti-AfD-Plakat, das ihr Logo trägt, McDonalds kommentierte in einem ähnlichen Fall auf Twitter, die antirassistische Botschaft des Fakes sei „100 Prozent unsere Haltung“. Wieso starten die Konzerne nicht direkt eigene Werbekampagnen zum Beispiel gegen Fremdenfeindlichkeit?

Viele Unternehmen bleiben da nach wie vor vorsichtig, weil viele Marken ja den Anspruch besitzen, eine große Bandbreite der Gesellschaft zu bedienen – unabhängig von der jeweiligen politischen Meinung. Und eine starke Zuspitzung auf die ein oder andere Seite würde das eher ausschließen. Deshalb werden immer mal wieder Retweets oder Kommentare zu nicht selbst initiierten Aktionen genutzt, so wie beim Beispiel Coca Cola. Diese indirekte Stellungnahme ist ein Phänomen, welches ich schon seit einiger Zeit beobachte. Wie gesagt: Insgesamt ist aber mein Eindruck, dass sich Marken und Unternehmen zuletzt viel stärker zu gesellschaftspolitischen Themen positionieren. Da ist ein Wandel zu sehen. Siemens-Chef Joe Kaeser hat das beispielsweise bei den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz gemacht. Zusätzlich gibt es viele junge Marken, die viel direkter agieren und ihrem Kern von vornherein eine gesellschaftspolitische oder moralische Linie integriert haben. Lemonaid, Fritz Cola oder Charitea sind da Beispiele. Hier ist eine spezifische Haltung von Anfang in das gesamte Handeln integriert.

Dirk Popp (51) ist PR-Berater mit Spezialgebiet Krisenkommunikation. Er ist Jury-Mitglied des deutschen PR-Preises und war bis 2016 CEO bei Ketchum Pleon.

Sie sind als Berater auf Krisenkommunikation spezialisiert. Aus Ihrer Erfahrung heraus: zu welchen Themen können Konzerne bedenkenlos Haltung beziehen?

Es ist mittlerweile völlig normal, dass bei etlichen Marken das Thema Nachhaltigkeit tief im Produkt verankert ist. Kunden werden informiert, woher die Rohstoffe stammen, es wird so klar erklärt, wie für faire Bedingungen bei Lieferanten gesorgt wird. Ohne Zweifel ist da noch viel Luft nach oben. Aber Marken wie Fritz Cola machen das von vornherein, selbst Konzerne wie Starbucks bedienen sich dieses Ansatzes. Diese Strategie hat kommunikativ einen anderen Effekt als bekannt zu geben, dass Spendenaktionen unternommen wurden. Wohlgemerkt, ohne das Thema Spenden hier kleinzureden.

Wie lautet Ihre Prognose, für die Marketingstrategien von großen Konsummarken? Werden diese in Zukunft gesellschaftspolitisch angepasster?

Soziale Medien befeuern oder bringen selbst rasend schnell gesellschaftliche Trends hervor. Diese für sich zu nutzen, ist Teil moderner Markenkommunikation. Gleichzeitig ist das Internet ein großer Transparenztreiber. Noch nie konnte so schnell ein Produkt bestellt werden, genauso schnell aber können KonsumentInnen Informationen zum Unternehmen und zum Produkt abrufen, zum Inhalt, zur Herstellung und zur Arbeitsweise der Konzerne. Die KonsumentInnen haben eine neue Machtposition. Plötzlich geht es nicht mehr nur darum, ein Produkt einfach nicht zu kaufen, sondern mittels des Multiplikators der sozialer Kanäle richtig Stimmung zu machen. Damit haben KonsumentInnen einen viel größeren Einfluss. Das baut Druck auf Marken aus, die sich fragen müssen, wie sie ihre Strategien diesen Trends anpassen können. Unternehmen wie Fritz Cola, sehen darin übrigens nicht nur einen ideellen sondern auch einen betriebswirtschaftlichen Wert.

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