Brexit-Verhandlungen im Unterhaus: Rechtsgutachten verhärtet Fronten

Für Premierministerin May und ihren Brexit-Deal sieht es von Tag zu Tag schlechter aus. Sie muss die Abgeordneten überzeugen, sonst droht politisches Chaos.

Die britische Premierministerin Theresa May inmitten von Abgeordneten

Muss Überzeugungsarbeit leisten: Theresa May Foto: ap

LONDON dpa, reuters | Der Streit im britischen Parlament über das Brexit-Abkommen hat erneut an Schärfe zugenommen. Die Regierung musste am Mittwoch ein Rechtsgutachten von Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox zu dem Abkommen veröffentlichen, nachdem sie tags zuvor mehrere Abstimmungsniederlagen im Parlament erlitten hatte.

Das Gutachten dürfte den Widerstand gegen das Abkommen weiter verstärken. Darin wird ausgeführt, dass entweder Großbritannien als Ganzes oder nur Nordirland möglicherweise auf unbestimmte Zeit in einer Zollunion mit der EU bleiben müssten, sollte kein Abkommen über das künftige Verhältnis zustande kommen. Beides wollen Abgeordnete im britischen Parlament unbedingt verhindern.

Der Fraktionschef der nordirischen DUP, Nigel Dodds, bezeichnete das Gutachten als „verheerend“. Seine Partei habe keine andere Chance als den Deal abzulehnen. „Die Premierministerin rennt gegen eine Wand“, sagte Dodds in einem BBC-Interview.

Die Minderheitsregierung von Premierministerin Theresa May ist auf die Unterstützung der DUP angewiesen. Auch rund 100 Abgeordnete ihrer eigenen Fraktion haben bereits Widerstand angekündigt. Die Chancen der Premierministerin, bei der Abstimmung am 11. Dezember eine Mehrheit für ihren Deal zu bekommen, scheinen zunehmend zu schwinden.

Eine Schlappe nach der nächsten

Am Dienstag musste die Regierung noch vor dem Start der fünftägigen Debatte gleich drei Schlappen im Parlament hinnehmen. Neben zwei Niederlagen im Zusammenhang mit dem Rechtsgutachten des Generalstaatsanwalts, verlor die Regierung auch eine Abstimmung über das weitere Verfahren. Sollte der Deal kommende Woche durchfallen, hätte das Parlament nun das Recht, das weitere Vorgehen mitzugestalten.

Sollte der Deal kommende Woche durchfallen, hätte das Parlament das Recht, das weitere Vorgehen mitzugestalten …

Großbritannien wird die EU voraussichtlich am 29. März 2019 verlassen. Das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen sieht eine Übergangsphase bis mindestens 2022 vor, in der zunächst alles beim Alten bleibt und eine neue Beziehung ausgehandelt werden kann.

Das oberste EU-Gericht entscheidet am kommenden Montag über die Möglichkeit eines britischen Rückziehers beim geplanten EU-Austritt. Das Urteil werde am 10. Dezember fallen, teilte der Europäische Gerichtshof am Donnerstag in Luxemburg mit (Rechtssache C-621/18). Das oberste schottische Zivilgericht hatte den EuGH um eine Bewertung gebeten, ob Großbritannien den Brexit-Antrag einseitig zurückziehen und das Austrittsverfahren damit stoppen könnte.

Ein wichtiger EU-Gutachter hatte unlängst erklärt, aus seiner Sicht könnte Großbritannien dies noch selbstständig stoppen, also ohne Zustimmung der übrigen EU-Staaten. In der Mehrzahl der Fälle richten sich die Luxemburger Richter nach diesen Gutachten.

Politisches Chaos droht

Die Entscheidung fällt damit einen Tag vor einer wichtigen Abstimmung in London. Das Parlament wird dort am 11. Dezember über das von Regierungschefin Theresa May und den übrigen 27 EU-Staaten vereinbarte Brexit-Abkommen abstimmen. Bislang zeichnet sich keine Mehrheit dafür ab.

… und es würde politisches Chaos in Großbritannien drohen

Sollte das Abkommen abgelehnt werden, droht politisches Chaos in Großbritannien. Ein EU-Austritt ohne Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele weitere Lebensbereiche kann dann nicht ausgeschlossen werden. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum scheinen möglich.

Die Opposition fordert von May, den Brexit-Deal noch einmal neu zu verhandeln. Doch das schließen sowohl die Regierung in London als auch Brüssel aus. „Der einzige Weg, um ein Szenario ohne Abkommen zu verhindern, ist den Deal zu akzeptieren“, sagte May am Mittwoch im Parlament.

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