Zuweisung von Psychotherapie-Plätzen: Protest gegen Spahns Terminreform

Der Gesundheitsminister will den Zugang zur Psycho­therapie neu steuern. Therapeuten befürchten eine „Diskriminierung psychisch Kranker“.

Gesundheitsminister Jens Spahn steht an einem Rednerpult

Mit dem Gesetzentwurf will Spahn erreichen, dass Versicherte schneller Arzttermine bekommen Foto: dpa

BERLIN taz | Barbara Lubisch, Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), ist empört. „Die beabsichtigte Neuerung kann nur als Rationierung von Psychotherapie und Diskriminierung von psychisch kranken Menschen aufgefasst werden.“ Diese Neuerung soll am Freitag im Bundestag in erster Lesung beraten werden: als Teil des neuen „Terminservice- und Versorgungsgesetzes“.

Ziel des neuen Gesetzes ist, dass Patienten schneller Arzttermine bekommen. Umstritten ist der Passus, wonach künftig der „gemeinsame Bundesausschuss“ Regelungen für eine „gestufte und gesteuerte“ Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung beschließen soll. Dies gelte auch für Anforderungen an die Qualifikation der Vertragsärzte und Psychotherapeuten. Die Psychotherapeuten befürchten durch diesen Passus die Einrichtung einer Art vorgeschalteten Instanz, bei der sich Patienten in spe erst mal melden müssten und die dann über die Art und Zuweisung von Therapeuten entscheidet. Die Verbände lehnen dies als „Eingriff in die freie Therapeutenwahl“ ab. Ihre Protestpetition im Bundestag fand ­innerhalb von vier Wochen fast 130.000 UnterstützerInnen.

Bislang betragen Wartezeiten auf Psychotherapien oft mehrere Monate. Für Lubisch führt jedwede Steuerung aber keineswegs zu mehr Therapieplätzen oder kürzeren Wartezeiten. Eine Bedarfsplanung sei zwar notwendig. Dafür brauche es aber vielmehr „eine gezielte und differenzierte Erhöhung der Anzahl der Psychotherapeutensitze“.

Einige Krankenkassen rügen, dass Therapeuten sich die Patienten auswählen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte auf der Anhörung im Bundestag zum Gesetz im September, Patienten, „bei denen es etwas angenehmer ist, Therapie zu machen“, erhielten „eher einen Termin als diejenigen, die man nicht ganz so gern im Wartezimmer sitzen hat“. Die DPtV verweist dagegen auf Zahlen, nach denen sich das Spektrum der Patienten bei Therapeuten und Nervenärzten nicht erheblich unterscheidet. Mittelschwere Depressionen machten bei den Psychotherapeuten rund 17 Prozent der Patienten aus, bei den Psychiatern und Nervenärzten rund 9 Prozent der Patienten. Menschen mit der Diagnose einer Schizophrenie seien bei den Psychotherapeuten zu etwas unter einem Prozent unter den Patienten zu finden, bei Nervenärzten und Psychiatern zu 3,5 Prozent.

Seit April vergangenen Jahres müssen PsychotherapeutInnen pro Woche zwei Stunden als Bestellsprechstunde anbieten. Die Wartezeit auf einen Erstkontakt beim Psychotherapeuten beträgt im Schnitt 5,7 Wochen. Allerdings bedeute dies eben nicht, dass die PsychotherapeutInnen dann auch tatsächlich einen Platz für eine längere Therapie anbieten könnten, betont Lubisch. „Oft ist ja einfach kein Therapieplatz frei.“

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