Verherrlichung des Nationalsozialismus: Braune Schlammschlacht in der AfD

Zwei Gruppen im Landesverband Sachsen-Anhalt werfen sich gegenseitig Nähe zum Rechtsextremismus vor. Interne Berichte zeigen das Ausmaß.

Mann im T-Shirt der AfD Sachsen-Anhalt

In der AfD Sachsen-Anhalt machen sich zwei Seiten gegenseitig Rechtsextremismus-Vorwürfe Foto: dpa

BERLIN taz | In den Papieren für den AfD-Bundesvorstand geht es um Sympathiebekundungen für NS-Größen, um eine „stark erhöhte Dichte an rechtsextremen Inhalten“ in einem Kreisverband oder auch um ein Treffen eines Bundesvorstandsmitglieds mit bekannten Rechtsextremisten im Bundestag. Im AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt werfen derzeit zwei verfeindete Gruppierungen einander rechtsextreme Inhalte oder die Nähe dazu vor. Der zerstrittene Landesvorstand hat in unterschiedlicher Zusammensetzung den Bundesvorstand um den Ausschluss von Protagonisten erst der einen, dann der anderen Seite gebeten.

Am Freitag vergangener Woche hat sich das AfD-Führungsgremium auf einer Sitzung in Wiesbaden mit der Schlammschlacht unter Rechten befasst. Parteichef Jörg Meuthen kündigte danach an, die Angelegenheit sorgfältig zu prüfen. Die Ausschlussanträge aus Magdeburg und die dazugehörigen Materialien füllen 140 Seiten und gewähren Einblick in das Innenleben der Rechtspartei.

Den Titel „Bericht – Überprüfung des AfD-Kreisverbandes Börde auf rechtsextreme Tendenzen“ trägt ein 80-seitiges Papier, als dessen Verfasser innerparteiliche Gegner den stellvertretenden AfD-Bundesschatzmeister Frank Pasemann ausgemacht haben. Vor allem Sympathiebekundungen von AfD-Mitgliedern für NS-Größen oder für deutsches Kriegsgerät aus dem Zweiten Weltkrieg sind dort durch Screenshots von Facebook-Seiten dokumentiert. Auch ein Adolf-Hitler in Wehrmachtsuniform wurde demnach von lokalen AfD-lern geliked.

Zudem wirft der Rechtsextremismus-Bericht der lokalen AfD-Spitze aus dem westlich von Magdeburg gelegenen Börde-Kreis eine selektive Aufnahme neuer Mitglieder vor. Der Kreisvorstand habe versucht, vom Landesvorstand abgelehnte Rechtsextreme dennoch aufzunehmen. Aufnahmeanträge vermeintlicher innerparteilicher Gegner habe der Kreisvorstand dagegen lange Zeit nicht bearbeitet.

„Ein Mann wie AH“

Ein im März vom Kreisvorstand aufgenommenes Neumitglied klagte etwa zwei Monate später in der internen WhatsApp-Gruppe des Kreisverbandes über „Merkels Heerscharen“, die täglich ins Land strömten, und schrieb über Adolf Hitler: „Ein Mann wie AH, der den Frieden wollte und den krieg fressen musste, ist die einzige Hoffnung, die ich noch habe, um das Ruder wieder in die Hand zu bekommen.“ Ein Kreisvorstand stufte die Äußerung dem Bericht zufolge als „Ausrutscher“ ein.

Der Rechtsextremismus-Bericht stand vor vier Wochen im Sachsen-Anhalter AfD-Landesvorstand zur Debatte. Allerdings fehlten 6 von 13 Vorstandsmitgliedern bei der Sitzung und das Gremium war nicht beschlussfähig. Der Rumpfvorstand beschloss per Meinungsbild einen zehnseitigen Brief an den AfD-Bundesvorstand und bat um den Parteiausschluss des zitierten Hitler-Fans sowie des Schatzmeisters des AfD-Kreisverbandes Börde und um die Amtsenthebung der übrigen Kreisvorstände.

Am 5. Oktober befasste sich der AfD-Bundesvorstand mit dem Bericht und beschloss ebenfalls ein Ausschlussverfahren gegen den Kreisschatzmeister und gegen den Hitler-Fan. Letzterer hat mittlerweile von sich aus die AfD verlassen.

Kreisverband schlägt zurück

Der gemaßregelte AfD-Kreisverband Börde will es allerdings dem Urheber des Rechtsextremismus-Berichtes mit gleicher Münze heimzahlen. Auf einer weiteren Sitzung des Landesvorstandes am 22. Oktober empfahl das diesmal beschlussfähige Gremium dem AfD-Bundesvorstand, ein Parteiausschlussverfahren gegen den stellvertretenden AfD-Bundesschatzmeister und Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann einzuleiten.

Die Empfehlung, für die 7 der 13 Landesvorstandsmitglieder votierten, wirft ihm vor, der Partei geschadet zu haben, indem er den Rechtsextremismus-Bericht an die Presse weitergegeben habe. Außerdem spricht der Vorstand in der Begründung von Fehlern in dem 80-seitigen Bericht. Demnach wurde ein Teil der dokumentierten von AfD-lern gelikten NS-Bilder bereits vor Jahresfrist bei Facebook gelöscht.

Zudem hat der Autor Pasemann zur ersten Landesgruppenveranstaltung der AfD-Bundestagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt selbst Rechtsradikale als Gäste begrüßt. Eingeladen waren dort im Juli der völkische Autor Philipp Stein sowie drei bekannte Rechtsextremisten.

Keine Distanz zu Rechtsextremen?

Pasemann sei „als Bekämpfer neonazistischer Umtriebe in der AfD unglaubwürdig, weil er ganz offensichtlich selbst nicht willens bzw. nicht in der Lage ist, die notwendige Distanz zu Vertretern derartiger Gruppierungen herzustellen“, heißt es denn auch im Gegen-Ausschlussantrag des Landesvorstandes.

Der Vorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, der Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt, stimmte gegen diesen zweiten Ausschlussantrag. Er ist aber immerhin „der Meinung, dass Menschen, die NS-Kriegsverbrecher und andere NS-Größen bei Facebook mit ‚gefällt mir‘ markieren, in unserer Partei nichts zu suchen haben“.

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