Labour-Antisemitismus: Polizei ermittelt

Auf Grundlage eines Labour-Dossiers über antisemitische Hassverbrechen innerhalb der Partei wird die britische Polizei aktiv

„Wir werden die Juden loswerden, die ein Krebsgeschwür für uns alle sind“, lautet eine der Äußerungen

Aus London Daniel Zylbersztajn

Die britische Labour-Opposition gerät wegen Vorwürfen von Antisemitismus ins Visier der Polizei. Am Freitagmorgen ließ Scotland Yard verlauten, dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts antisemitischer Hassverbrechen eingeleitet worden ist. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet. Das Benehmen mancher angeblicher Corbyn-Unterstützer könnte jetzt nicht nur parteiinterne, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben.

Grundlage der Ermittlungen soll ein Dossier mit parteiinternen Dokumenten sein, das Anfang September der Chefin der Londoner Metropolitan Police bei einer Radiosendung übergeben wurde. In ihm sollen auf 80 Seiten 45 Fälle von antisemitischem Verhalten von Labour-Mitgliedern aufgeführt sein. Darunter gebe es antisemitische Äußerungen, gewaltverherrlichende Drohungen gegen jüdische Menschen allgemein in klar antisemitischem Wortlaut und auch gegen spezifische Einzelpersonen, darunter Labour-Abgeordnete im Parlament.

Eine Abgeordnete wurde als „zionistische Extremistin“ bezeichnet, die „gleich eins auf die Fresse kriegen“ werde. „Wir werden die Juden loswerden, die ein Krebsgeschwür für uns alle sind“, lautet eine Äußerung auf sozialen Medien. Ein Kommentar empört sich über die Verurteilung eines ehemaligen KZ-Wachmanns von Auschwitz.

Die Partei selber soll den betroffenen Abgeordneten nichts von den Drohungen gesagt und auch nicht selbst die Polizei eingeschaltet haben.

Joe Glasman, Investigativchef der Lobbygruppe „Campaign Against Antisemitism“, erklärte der taz, diese Ermittlungen seinen vollkommen richtig. „Wir hoffen, dass es sowohl die antisemitischen Verbrechen aufdeckt als auch den Versuch der Labour-Partei, die Beweise zu verbergen“, sagte er.

Amanda Bowman, Vizepräsidentin des jüdischen Dachverbands „Jewish Board of Deputies“, gab sich am Freitag wenig überrascht. Antisemitismus habe sich tief in die Labour-Partei eingenistet, während Parteiführer Jeremy Corbyn fast nichts dagegen getan habe, sagte sie. „Wir haben immer wieder der Partei erklärt, was sie tun muss“, erklärt sie. „Sie muss disziplinarische Maßnahmen gegen Antisemiten ergreifen und ihr undurchsichtiges Beschwerdeverfahren transparent machen.“

Dafür machen sowohl Bowman als auch Glasman den Parteichef Corbyn persönlich verantwortlich. Bowman verlangt von ihm „eine Entschuldigung für seine zu schwachen Maßnahmen“, Glasman bezeichnet ihn als Antisemiten, „durch den die einst antirassistische Labour-Partei begann, Antisemitismus zu dulden“.

Mitglieder der jüdischen Arbeiterbewegung ließen verstehen, dass man nicht überrascht sei. Sie würden nun die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. Dave Rich, Sprecher des Community Safety Trust, der für die Sicherheit vieler jüdischer Einrichtungen in Großbritannien zuständig ist, warnte jedoch vor zu schnellen Schlüssen. Er betonte, das Verfahren richte sich laut Polizei nicht gegen die Labour-Partei als ganze, sondern gegen Einzelpersonen.

Labour selbst erklärte in einer Pressemitteilung, dass die Partei bisher nicht von der Polizei kontaktiert worden sei, dass man jedoch bereit sei, bei den Ermittlungen zu helfen. Der stellvertretende Parteichef Tom Watson sagte, er sei „leider nicht überrascht“ darüber, dass es Ermittlungen gebe. Er hoffe, die Einschaltung der Polizei werde jetzt „die sehr kleine Anzahl von Stimmen zum Schweigen bringen, die sagen, dass es auf der britischen Linken kein Antisemitismusproblem gäbe“.