Präsident putscht selbst

Sri Lankas Staatschef setzt den Premier ab und suspendiert auch gleich noch das Parlament. Bei Schießereien werden ein Mensch getötet und zwei verletzt

Anhänger des geschassten Regierungschefs Ranil Wickremesinghe demonstrieren am Freitag in Colombo Foto: Eranga Jayawardena/ap

Aus Colombo Martin Kaul

Von wegen schöne Strände und freundliche Menschen. Ein Toter und zwei Verletzte: Das ist die vorläufige Bilanz einer politischen Krise, die die Tropeninsel Sri Lanka mit 20 Millionen Einwohnern seit dem vergangenen Wochenende erschüttert.

Mit einem putschähnlichen Manöver hatte Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena am Freitagabend einen alten Autokraten zurück an die Macht gebracht. Anhänger der Aktion stürmten noch in der Nacht zwei staatliche Fernsehsender und zwangen sie, den Sendebetrieb zu unterbrechen. Der amtierende Ministerpräsident Ranil Wickremesinghe sagt hingegen, er sei weiter im Amt. Am Sonntag erhielt er Rückendeckung aus dem Parlament. Parlamentssprecher Karu Jayasuriya erklärte, er erkenne Wickremesinghe als rechtmäßigen Ministerpräsidenten des Landes an. Er unterstütze dessen Forderung, seine Sicherheitskräfte und seine Privilegien als Ministerpräsident zu behalten, solange niemand anderes auf „demokratische und faire“ Weise seine Mehrheit im Parlament unter Beweis gestellt habe.

Doch der Präsident, der in Sri Lanka dem Kabinett und dem Ministerpräsidenten vorsteht, beharrt auf seiner Position. Er hatte am Freitag völlig überraschend Wickremesinghes Erzfeind Mahinda Rajapaksa den Amtseid abgenommen und mitgeteilt, er habe Wickremesinghe entlassen. Die Bevölkerung der Tropeninsel, die südöstlich von Indien liegt, wurde erst informiert, als der Akt vollzogen war. Verfassungsrechtler in Sri Lanka äußerten Zweifel, dass das Vorgehen verfassungsgemäß sei.

Rajapaksa ist ein alter Bekannter. Er stand mehrfach als Präsident an der Spitze des Landes und ging hart gegen Kritiker und Journalisten vor. Reporter ohne Grenzen zählte ihn 2013 zu den Feinden der Pressefreiheit. Während seiner Amtszeit waren zwischen 2009 und 2015 mindestens 15 Journalisten im direkten Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden.

Verfassungsrechtler bezweifeln, dass dieses Vorgehen mit der Verfassung vereinbar ist

Viele Bürger, vor allem aus Reihen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit, verehren Rajapaksa dafür, dass er 2009 den 26 Jahre währenden Bürgerkrieg mit den tamilischen Rebellen und der tamilischen Bevölkerungsminderheit beendet hatte. Allein in den letzten Monaten dieses Krieges waren Tausende tamilische Zivilisten von Regierungssoldaten getötet worden. Unter anderem werden der Armee unter Rajapaksas Führung die Exekution von Zivilisten, Vergewaltigungen und Gräueltaten vorgeworfen.

Wickremesinghe, der 2015 die Wahlen gegen Rajapaksa gewann und seitdem als Premier die Amtsgeschäfte führte, hatte nach seinem Amtsantritt versprochen, das Land gen Westen zu öffnen und die Kriegsverbrechen aufzuklären. Auch ging er verstärkt gegen Korruption vor – was zur Festnahme von Familienmitgliedern aus Rajapaksas Umfeld führte.

Zuletzt war Wickremesinghe immer stärker in die Kritik geraten. Ein Misstrauensvotum im Parlament gegen ihn scheiterte jedoch in diesem Jahr. Das ist auch der Grund, warum Wickremesinghe im Amt bleiben will. Und das dürfte auch der Grund sein, warum der Präsident, der ihn loswerden will, auch das Parlament suspendierte. So kann es dort in den nächsten Tagen wohl nicht zu einer Abstimmung über den alten oder neuen Premier kommen.

Martin Kaul ist taz-Redakteur und Mitglied im Vorstand von Reporter ohne Grenzen (RGO). In dieser Funktion hält er sich derzeit in Sri Lankas Hauptstadt Colombo auf. Am Donnerstag präsentierte RGO dort die Ergebnisse einer Recherche zur Medienkonzentration und politischen Verflechtungen von Medienbesitzern und politischen Mandatsträgern. mom-rsf.org