Wahlen in Kamerun: Terence floh als Letzter

Kameruns anglophoner Westen ist Kriegsgebiet, Hunderttausende sind auf der Flucht. Bei den Wahlen nützt das Präsident Biya.

Ein Mann sitzt vor einem Eimer, in dem er Wäsche wäscht

Kriegsflüchtling Terence im Hof seiner Unterkunft in Douala Foto: Katrin Gänsler

DOUALA taz | Der Schlachthof von Douala liegt knapp zehn Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Die Luft ist schwül und drückend, die Straßen sind schlammig und die Pfützen vom letzten Regenguss noch tief. In dem Viertel wohnen viele Familien dicht gedrängt aufeinander. Und es werden immer mehr.

Bis zu 300.000 Menschen aus Kameruns anglophonen Provinzen Südwest und Nordwest sind auf der Flucht – im Nachbarland Nigeria, in Kameruns Hauptstadt Yaoundé und auch in der Millionenstadt Douala, Kameruns Wirtschaftsmetropole.

Vor zwei Wochen hat auch Terence alles zusammengepackt und seine Heimatstadt Buea verlassen. Gemeinsam mit ein paar anderen jungen Leuten teilt sich der 31-Jährige jetzt ein Zimmer zur Miete. Er hockt auf dem Innenhof, den er sich mit drei weiteren Familien teilt, wäscht T-Shirts in einer großen Plastikschüssel und hat Schweißperlen auf der Stirn.

Am 17. September kam Terence, der sein ganzes Leben im anglophonen Teil Kameruns verbracht hat, nach Douala. Die Unsicherheit sei zu groß geworden. „Ich war der Letzte, der noch auf dem Hof gelebt hat, das war viel zu gefährlich.“ Wie andere Binnenflüchtlinge berichtet er von Schusswechseln zwischen dem Militär und den sogenannten Amba-Boys – den Kämpfern der „Ambazonian Fighters“, einer der Rebellengruppen, die für die Unabhängigkeit der beiden anglophonen Provinzen Südwest und Nordwest unter dem Namen „Ambazonien“ kämpfen.

Terence berichtet wie andere Augenzeugen auch, dass vor allem junge Männer Gefahr laufen, von der Armee als „Amba-Boys“ verdächtigt und als Terroristen bezeichnet zu werden. Sie werden dann verhaftet und verschleppt. Für die Freilassung wird mitunter viel Geld verlangt. Manche werden erschossen.

Alter Konflikt neu aufgeflammt

Der Konflikt schwelt seit vielen Jahren und ist Erbe der Kolonialzeit. Kamerun, einst deutsches Kolonialgebiet, wurde nach dem Ersten Weltkrieg in ein größeres französisches und ein kleineres britisches Mandatsgebiet geteilt. Nach Volksabstimmungen wurde zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit das britische „Südkamerun“ zwischen Nigeria und Kamerun aufgeteilt – aber die englischsprachigen Bewohner des zu Kamerun geschlagenen Gebiets fühlen sich benachteiligt.

Separatisten riefen am 1. Oktober 2017 die „Republik Ambazonien“ aus, bei Unruhen gab es Dutzende Tote. Seitdem ist die Region Kampfgebiet. Beide Seiten begehen Übergriffe; die Vertriebenen erwähnen in Gesprächen meist nur die Angriffe und Demütigungen der Armee.

Auch Nta William Nche ist mit seiner Familie von Buea nach Douala gezogen. Wie alle anderen quetschen sie sich in eine kleine Unterkunft. Auf die Frage nach weiteren Vertriebenen ruft er sofort seinen Bruder in Yaoundé an.

Jeder kennt Betroffene. Ihre Erlebnisse sind meist sehr ähnlich, die Hoffnungslosigkeit auch. Es gibt keine Auffangeinrichtungen oder Unterstützung. Nur Familien und Freunde helfen.

Nta William Nche ist Pastor der Presbyterianischen Kirche und einer der wenigen, der mit seinem vollen Namen über die Krise spricht. „Ich sehe im Moment kaum jemanden, der von der Krise profitiert.“ Allerdings habe der Konflikt jungen Arbeitslosen einen Job gegeben. „Sie gehören mit einem Mal einer Armee an. Sie verdienen etwas, vor allem erhalten sie Respekt: Andere fürchten sie. Menschen, die in die Diaspora gegangen sind, sind richtig bekannt geworden. Als sie noch in Bamenda waren, waren sie Namenlose.“

Profiteure gibt es auch auf Regierungsseite. Kameruns Präsident Paul Biya erklärte Ende 2017 den Separatisten den Krieg. Dafür erhalten die Sicherheitskräfte mehr Geld, was die Korruption nähren kann.

Auch dürfte der 85-Jährige bei den Wahlen am Sonntag dank des Konfliktes weniger Gegenstimmen bekommen: die anglophonen Regionen sind traditionell Oppositionshochburgen, aber Binnenflüchtlinge können nicht zur Wahl gehen.

Es wollen in den beiden Provinzen auch die Separatisten die Wahlen verhindern, um ihre Stärke unter Beweis zu stellen. Rund um die Wahlen gilt dort nun Ausgangssperre.

„Die Regierung hat angefangen“

Terence ist all das leid. „Ich will keine Gewalt mehr erleben, sondern einen Dialog.“ Den ersten Schritt, das ist ihm klar, muss die Regierung machen. „Sie hat angefangen und den Krieg erklärt.“

Wann das passiert, ob es überhaupt passiert – das weiß er nicht. Terence zuckt mit den Schultern. „Wir haben keine Ahnung, wie es weitergeht und wann wir wieder nach Hause können.“

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