Alternativen zur Kastration von Ferkeln: Gegen Ebergeruch besser impfen

Staatliche Tierschutzforscher empfehlen, männliche Schweine zu impfen, anstatt ihnen ohne Betäubung die Hoden herauszuschneiden.

Ferkel stehen im Stall

Solche Ferkel dürfen ab 1. Januar nur noch mit Betäubung kastriert werden Foto: dpa

BERLIN taz Die beste Alternative zur Kastration von Ferkeln ohne Betäubung ist dem bundeseigenen Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit zufolge die Impfung gegen Ebergeruch. Dieser Lösung sei aus „tierschutzfachlicher Sicht“ eindeutig der Vorzug zu geben, schreibt die Behörde in einer neuen Stellungnahme.

Derzeit werden in Deutschland jedes Jahr rund 20 Millionen männliche Ferkel kastriert. Sonst würde das Fleisch mancher Eber wegen der Sexualhormone stinken, wenn es in der Pfanne landet. Ab kommenden Januar verlangt das Tierschutzgesetz jedoch, dass die Ferkel vor dem Entfernen der Hoden betäubt werden. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und der Bauernverband wollen das aber wegen der Kosten verschieben lassen. Damit sind sie gerade im Bundesrat gescheitert, versuchen es nun aber im Bundestag.

Ob das klappt, ist wegen des Widerstands der SPD ungewiss. Die Sauenhalter müssen sich also nach jetzigem Stand für eine oder mehrere Alternativen zum Hodenentfernen ohne Schmerzausschaltung entscheiden. Bei der Impfmethode wird den Schweinen zwei Mal im Abstand mehrerer Wochen das Medikament Improvac gespritzt, das die Bildung der Geschlechtshormone verhindert. Dafür müssen sie aus der Gruppe selektiert und dann fixiert werden. Diese Belastung sei aber „vergleichsweise gering“, so das Loeffler-Institut.

Denn bei der Kastration unter Betäubung würden die Ferkel binnen Minuten zweimal fixiert: Zuerst bekommen sie eine Spritze, die den Schmerz nach der Operation lindern soll. Dann werden sie rücklings in das Narkosegerät eingespannt und ihnen eine Inhalationsmaske aufgesetzt. Für die Injektionsnarkose müssen die Ferkel ebenfalls fixiert werden. Noch stärker belastet werden die Tiere laut Institut, wenn sie nach der Operation für mindestens drei Stunden von der Muttersau getrennt werden, damit sie die Ferkel nicht erdrückt. Durch die Trennung würden den Tieren „wichtige Mahlzeiten verloren gehen“.

Die Impfung sei auch besser, als unkastrierte Jungeber zu mästen, so die Wissenschaftler. Denn Eber fechten untereinander Rangkämpfe aus, oft bespringen sie sich gegenseitig. Dabei könnten sie sich zumindest in den weit verbreiteten engen Ställen insbesondere gegen Ende der Mast schwer verletzen, warnt das Loeffler-Institut. Die geimpften Eber dagegen verhielten sich wie Kastraten: „Die geimpften Tiere werden ruhiger, weniger aggressiv, zeigen weniger Aufreiten und ihre Hoden werden kleiner.“

Angebliche Angst vor „Hormonfleisch“

Die Argumente gegen die Impfung beziehen sich denn auch nicht auf den Tierschutz, sondern aufs Geld: Die Impfung kostet pro Schwein 4 bis 4,50 Euro – plus Arbeitskosten. Doch die Methode sei laut Studien und Praxiserfahrungen genauso teuer oder sogar billiger als andere Alternativen, urteilen die Forscher. Denn bis zur zweiten Impfung würden die Tiere schneller zunehmen und das Futter besser verwerten als Kastraten.

Der wichtigste Einwand gegen die Impfung ist, dass die Verbraucher Fleisch von geimpften Tieren ablehnen könnten. Dabei stellt das Loeffler-Institut fest: „Im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit ist der Impfstoff unbedenklich, da er nur nach Injektion wirksam wird und bei oraler Aufnahme im Verdauungstrakt vollständig abgebaut wird.“ Beim Fleisch geimpfter Tiere handele es sich auch nicht um „Hormonfleisch“, denn der Impfstoff sei „nicht hormonell wirksam“.

Die Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass wichtige Nichtregierungsorganisationen die Impfung befürworten. Das gilt zum Beispiel für den Tierschutzverband Provieh oder die Biobauernorganisation Naturland. Das „Skandal-Potenzial“ von Fleisch geimpfter Tiere werde „überwiegend aus der Landwirtschaft und den Schlachtunternehmen in den Vordergrund gestellt“. Die Forscher schreiben nicht ausdrücklich, woran das liegt. Aber denkbar ist nach ihren Ausführungen: Die Agrar- und Fleischlobby bauscht diese Sorgen auf, um doch noch zu erreichen, dass das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration verschoben wird. Denn keine Variante ist billiger, als den Tieren ohne Betäubung die Hoden herauszuschneiden.

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