Roma-Festival in Berlin-Neukölln: Leute in Bewegung bringen

Beim Romano Festivalo am Samstag verknüpft das Rroma Informations Centrum Information, Kunst und Musik mit politischen Forderungen.

Die Flagge der Roma zeigt Himmel und Erde und das indische Chakren-Rad Foto: dpa

Vor zwei Jahren sei hier noch ein Produktionsbüro für schwule Pornos gewesen, erzählt Milan Pavlović, der Leiter des Rroma Informations Centrumin Neukölln. Noch immer hängt der Geruch von frischer Farbe in den Büroräumen in der Elsenstraße.

Heute teilt sich das Informations Centrum die kleinen Räumlichkeiten mit Afrikaherz, einem Projekt, das gesundheitliche Beratung und Aufklärung für afrikanische Migrant*innen anbietet. Eine Neuköllner Mischung eben. Auf dem Flur trifft man sich und scherzt über Gott, die Welt und die Hausreinigung. Pavlović war froh, aber auch überrascht, dass sie hier einziehen durften, obwohl die Vermieter*innen wussten, dass er einen Rom*nja-Verein leitet, erzählt er.

Diesen Samstag organisiert das Centrum zusammen mit anderen Initiativen und Vereinen das Rromano Festivalo in Neukölln. In verschiedensten Formaten wird Kultur, Geschichte und die derzeitige politische Situation der Sinte*zza und Rom*nja in Europa beleuchtet.

In der Ukraine wurden im Juni zwei Rom*nja ermordet, die Verdächtigen sind Rechtsex­treme. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma spricht von Pogromen. In Friedrichshain soll ein Mann im Juni absichtlich mit einer Luftdruckpistole auf eine 7-Jährige Romni geschossen haben, im selben Monat regte Italiens Innenminister Salvini eine Rom*nja-Zählung an.

Wie passen Musik und Pogrome zusammen?

Bühne Parallel zum Rromano Festivalo läuft am Samstag auch das Neukölln Open – Festival für Demokratie und Vielfalt. Im Museum Neukölln auf dem Schloss und Gutshof Britz finden sechs Diskussionsforen zu den Themen Ökologie, Wirtschaft 4.0, Schule und Wohnungspolitik statt. Los geht‘s um 14 Uhr.

Buden Ab 16 Uhr bespielen Künstler*innen die Freilichtbühne. Um 14 Uhr öffnet der Markt der Demokratie auf dem Gutshof. Hier informieren verschiedene Einrichtungen über ihr Programm, unter anderem die Landeszentrale für politische Bildung, das örtliche Nachbarschaftsheim und die Volkshochschule. (mir)

„Und wenn du dich fragst: Wie sollen Musik und Pogrome zusammenpassen? So ein Festival ist eine der wenigen Möglichkeiten, die Leute in Bewegung zu bringen“, erklärt Pavlović. Denn das Rromano Festivalo soll nicht einfach Vergangenheit nacherzählen oder gegenwärtige Kultur feiern.

Mit dem Festival sind konkrete Forderung an die Berliner Politik verknüpft: Einrichtung eines Rom*nja-Zentrums, Sicherung und Ausbau bereits bestehender Strukturen und Bündnisse sowie mehr Förderung von Programmen gegen antiromaistischen Rassismus und für mehr Empowerment der Community.

Milan Pavlovic

„Es ist schwer, mit unseren Belangen die Verantwortlichen zu erreichen“

Das Festival beginnt um 10 Uhr mit einer kostenlosen Stadtführung in der Kreuzberger Bergmannstraße 23 vor der Sporthalle, die nach Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann benannt ist. Der Boxer hatte 1933 die deutsche Meisterschaft im Mittelgewicht gewonnen. Die Nazis erkannten dem Berliner Sinto den Meistertitel jedoch ab. 1944 wurde Trollmann im KZ Neuengamme erschlagen.

Thema der Tour ist die Geschichte der Sinte*zza und Rom*nja im Nationalsozialismus. Der Stadtrundgang endet neben dem Reichstag, wo eine Gedenkstätte an den Porajmos, den Genozid, erinnert.

Reichlich Gründe, stolz zu sein

Der Rundgang am Samstag bietet Schulklassen und interessierten Gruppen Informationen über die Geschichte der Minderheit in Berlin. „Unsere Kultur ist nicht nur – wie in den Medien berichtet wird –, dass wir klauen würden. Unsere Kultur ist sehr bunt und es gibt reichlich Gründe, auf sie stolz zu sein“, sagt Pavlović. Zudem werden im Schulunterricht „viel über Antisemitismus, aber nur ganz wenig über Antiromaismus im Zweiten Weltkrieg geredet“.

Das übrige Festivalprogramm findet ab 13.30 Uhr im Nachbarschaftsheim Neukölln in der Schierker Straße 53 statt. Unter anderem erzählt Isidora Randjelović die Geschichte der Romnja aus feministischer Perspektive, die Jugendtheatergruppe „So keres?“ (Romanes: „Was machst du?“) widmet sich performativ dem Komplex Rassismus.

Der Schauspieler Slaviša Marković nähert sich der (Re-)Produktion von Stereotypen und Märchen, ehe um 18.30 Uhr Sandra Selimović mit Unterstützung das „Rom*nja SEIN!“ performt. Ab 16.30 Uhr ist parallel zu den Vorträgen und Workshops bulgarischer Ramano-HipHop oder Tambura-Musik aus Nordserbien zu hören.

„Unsere Lobby ist sehr klein. Es ist schwer, mit unseren Belangen die Verantwortlichen zu erreichen“, erklärt Milan Pavlović. Zwar gebe es immer wieder Fördergelder, aber zu oft würden damit Projekte finanziert, die für Rom*nja, aber nicht mit ihnen konzipiert würden. „Wir haben keinen großen Bruder, der uns beschützt und bei dem wir uns beschweren können. Deshalb versuchen wir auf eine ruhige und friedliche Weise auf die Geschehnisse aufmerksam zu machen.“

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