Hamburger Konzert von Yo La Tengo: Unprätentiöses Schrubben

Das US-Indierock-Trio Yo La Tengo spielte im Hamburger „Zirkuszelt am Nobistor“. Neue Songs, Coverversionen und alte Hits standen auf dem Programm.

Illustration: Mehrere Menschen mit Instrumenten

Hui, die Musiker verdoppeln sich: Yo La Tengo am Sonntag in Hamburg Illustration: Imke Staats

Der Zeltplatz befindet sich an einem ziemlichen Un-Ort im Hamburger Stadtteil Altona, der an den berühmten Vergnügungsbezirk St. Pauli angrenzt. Hier, an der Nahtstelle zwischen Reeperbahn und Jüdischem Friedhof, gibt es einen nicht unbedingt als Park zu bezeichnenden, ungepflegten Grünstreifen, in dem ansonsten kaum Leben ist – abgesehen von einigen Obdachlosen und Gassigehern.

Hier steht nun den zweiten Sommer hintereinander ein Zirkuszelt mit 600-Personen-Fassungsvermögen. In diesem findet niveauvolle Kultur statt. Erbauliches für die sommers Daheimgebliebenen – und Weitgereisten. Die US-Band Yo La Tengo aus Hoboken/New Jersey, die nach Hamburg von einem Konzert am Kopenhagener „Badesøen“ angereist ist – das zieht auch Fans von weit her an.

Man hört englische Sprachfetzen, jemand ist extra aus Wien gekommen, der hat sie bereits 1987 gesehen. Viele ergraute Männer, wenige Frauen und einige Twentysomethings stehen wartend auf den Holzspänen am Boden des seit Wochen ausverkauften Gigs unter Planen. Dass es im Zelt etwas stickig ist, stört niemand. Unprätentiös, ohne Licht, kommen die drei auf die Bühne: das zierliche Energiebündel Georgia Hubley, ihr Gatte Ira Kaplan, wieder im geringelten T-Shirt, der Bassist James McNew, stellen sich fix hinter die Instrumente und machen einfach los. Ohne Marktgeschrei, ohne nachhelfenden Glamour, unprätentiös, wie immer in den über 30 Jahren, in denen sie unbeirrt in alle Richtungen experimentieren, sich selbst, Nerds und vor allem KritikerInnen glücklich machen. Dabei war für jeden guten Geschmack schon etwas dabei, es gab Krach, Punk, Funk, Jazz, Country, elektronischen Sphärenklang, Coverversionen von Blondie bis Yes … aber niemals Mainstream.

Jedes Mal anders

Auch wenn sie nicht wirken, als würden sie es je drauf anlegen, waren sie schon hin und wieder in den Charts. YLT ist die Band, die kein Konzert wie das andere spielt, niemals die gleiche Setlist hat. Sie schöpfen tief aus dem Vollen und überraschen gern. Am Sonntagabend frönen sie zu Teilen des im März erschienenen Albums mit dem verheißungsvoll von Sly and the Family Stone receycelten Titel „There’s a Riot Going On“, die Anlass für die weltweite Tour ist. Sie eröffnen mit deren hypnotischem langem erstem Stück „You Are Here“, Instrumental.

Vom selben Album folgt das herrlich schwappende „For­ever“. Georgia Hubley agiert verstrubbelt und beeindruckend hinter dem Schlagzeug: präzise, beständig und mit einer wunderschönen Stimme gesegnet, die dann bei „Before We Run“ zu hören ist – und herausragend bei dem neuen „Shades of Blue“. Oft setzt sie sie nach einiger Zeit erst ein. Sechs Stücke vom neuen Werk werden ausgewogen durchmischt mit älteren und alten.

Zum poppigen „Mr Tough“ wackelt das ganze Zelt fröhlich mit. Musikstopp, Kaplan fragt die Bandmates: „Is there anything more to say?“ Dann noch mal der Refrain. Erst hiernach begrüßt Ira Kaplan das Publikum. Die drei tauschen immer wieder ihre Instrumente, Hubley wechselt zu dem alten roten Keyboard, McNew ruft hin und wieder ein paar Loops hervor, Kaplan tauscht Gitarren ­gegen das neue Keyboard.

Zivisiert, aber herzlich

Das beharrlich per Zuruf aus dem Publikum gewünschte, noisig sägende „Motel Nr 6“ wird heute ausgelassen. Stattdessen vom gleichen Album („Painful“, 1999) das wilde, melancholische und epische „Cherry Chapstick“ gegeben, bei dem Kaplan wie irre die Gitarre schrubbt und dabei beinahe alle berühmten Posen der Rockgeschichte nachstellt. Nach fast sieben schweißtriefenden Minuten ist das Instrument noch nicht wirklich zerschlagen, aber eigentlich Schluss. Herzlicher, zivilisierter Applaus.

Kurze Pause, dann spielen sie zum Abschied drei Cover-Versio­nen. Bei der ersten können sich Hubley und Kaplan kurz ausruhen, „Antmusic“, ein Cover der 80er-Waver Adam and the Ants, gibt James McNew an Gitarre und Stimme, bis das Ehepaar mit gemeinsamen Trommeln einsetzt. Danach wieder Hubleys Stimme – diesmal mit dem flockigen 60er-Beat der Troggs „A Girl Like You“. Schließlich stehen alle drei vorn, um singend mit dem zarten „Andalucia“ von John Cale abzuschließen. „Danke, dass ihr hier wart!“, ruft es aus der Schwitzhütte. „Thank you for you coming here. We always come to Hamburg!“, erwidert Kaplan. Bitte gern.

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