Bleiberecht für gut integrierte Flüchtlinge: Merkel gegen Spurwechsel

Die Kanzlerin findet es falsch, gut integrierten, aber abgelehnten Asylbewerbern ein Bleiberecht zu ermöglichen.

Ein Mann sitzt an einer Werkbank und misst ein Werkstück nach

Durch Merkels Absage wird sich der Streit in der GroKo über ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz fortsetzen Foto: dpa

BERLIN taz | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gegen einen sogenannten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte AsylbewerberInnen ausgesprochen. „Nach außen das Signal zu geben, du kannst kommen, und es wird im Grunde dann nicht mehr unterschieden, das finde ich nicht richtig“, sagte Merkel am Sonntagabend im ARD-Sommerinterview. Es erzeuge ein falsches Bild, wenn der Eindruck erweckt werde, dass man als Asylbewerber oder Flüchtling komme und dann einfach die Spur in Richtung des Fachkräftemangels wechsele.

Der Spurwechsel bedeutet, dass es AsylbewerberInnen, die abgelehnt und nur geduldet, aber gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben, über ein Einwanderungsrecht ermöglicht wird, in Deutschland zu bleiben. Sie könnten also aus der Spur des Asylrechts in die Spur eines Einwanderungsrechts wechseln. Durch Merkels Absage wird sich ein Streit in der Großen Koalition über ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz fortsetzen, das im Koalitionsvertrag verabredet ist.

Die SPD würde in dieses Gesetz gern den Spurwechsel aufnehmen. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte vor gut einer Woche angekündigt, auf einer Reform zu bestehen. „Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass zurzeit die falschen Leute ab­geschoben werden, nämlich gut integrierte Menschen, die in Arbeit, die in Ausbildung sind“, sagte sie. Denen solle man eine Chance geben. „Das werden wir durchsetzen“, kündigte Nahles an.

Mit die Forderung steht die SPD nicht allein da. FDP, Grüne und Linkspartei sind für den Spurwechsel, auch aus der Wirtschaft kommen immer wieder entsprechende Forderungen. Vor eineinhalb Wochen wurden die Eckpunkte von Innenminister Horst Seehofer (CSU) für ein Einwanderungsgesetz öffentlich. Dem Papier zufolge soll die Fachkräftezuwanderung am Bedarf der Wirtschaft ausgerichtet werden. Dabei sollen Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, der Nachweis eines Arbeitsplatzangebots und die Sicherung des Lebensunterhalts „in angemessener Weise berücksichtigt“ werden.

Auch Seehofer gegen Spurwechsel

Von Spurwechsel ist in Seehofers Papier keine Rede. Allerdings bietet eine Formulierung Interpretationsspielraum. Zur Fachkräftesicherung müssten alle ihren Beitrag leisten, heißt es in dem Papier: „Dazu gehört auch, die Potenziale der Personen mit Fluchthintergrund, die eine Beschäftigung ausüben, für unseren Arbeitsmarkt zu nutzen.“ Auch Seehofer sprach sich allerdings inzwischen gegen den Spurwechsel aus.

Andrea Nahles, SPD-Vorsitzende

„Zurzeit werden die falschen Leute abgeschoben“

In der Union befürchten viele, dass ein Spurwechsel wie ein „Pull-Faktor“ wirken, also eigentlich chancenlose AsylbewerberInnen ins Land locken könnte. Um dieses Argument zu entkräften, haben die SPD-Innenpolitiker Eva Högl und Burkhard Lischka eine Stichtagsregelung vorgeschlagen. Demnach bekämen gut integrierte AusländerInnen, die zum 1. August 2018 bereits in einem Ausbildungsverhältnis oder in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis standen, einen regulären Aufenthaltstitel. Nach dem Stichtag könnten keine Arbeitsverhältnisse mehr geschlossen werden. So sei Missbrauch ausgeschlossen.

Merkel verwies in dem Interview auf eine bestehende Aufenthaltsregelung für Geduldete, die nach einer Ausbildung zwei Jahre hier arbeiten dürfen. Zudem sei man mitten in der ­Diskussion über ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, betonte Merkel. Dies sei „ein Riesenschritt für die Union“, nachdem sie sich jahrzehntelang dagegen gesperrt habe. Man sehe, dass das notwendig sei, sagte Merkel. Auch Parteien seien lernfähig.

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