Kolumne Liebeserklärung: Der Hampelmann

Die kurze Hose für Männer hat offenbar viele Feinde. Was soll das? Es muss nicht jeder freiwillig ein mobiles Schweißbad mit sich herumtragen.

Besser rundum locker machen Illustration: Tom

Jeden Sommer wird dieselbe Sau durchs Mediendorf getrieben: Sie hat haarige, bleiche, dünne Beinchen und trägt eine kurze Hose. Das geht gar nicht, sagt in diesem Jahr der Stilberater der Süddeutschen Zeitung, und führt, damit es speziell dem kurbehosten Hetero-Mann wehtut, eine Heerschar von Kronzeuginnen an: „Find ich nicht schön“, antworten die dem Bayerischen Rundfunk nahezu unisono.

Hier äußert sich wohl das Stockholm-Syndrom von Frauen, die seit jeher mit ageistischen und lookistischen Ansprüchen geschurigelt werden: wie sie auszusehen haben, was sie anziehen dürfen und was nicht, beziehungsweise was sie jeweils anziehen dürfen oder müssen, wenn sie aussehen wie sie aussehen (und bitte immer schön die Beine rasieren!).

Es sind zwei entgegengesetzte Wege zur feministischen Seligkeit: Der eine will, dass sich alle scheiße fühlen, damit Gleichberechtigung hergestellt ist. Der andere Weg zielt auf das identische Ergebnis ab, nur mit einem geringfügig veränderten Detail: Alle Menschen sollen sich gut fühlen.

Gesinnungstechnischer Offenbarungseid

Dem Misanthropen in mir ist der erste Weg nicht unsympathisch. Der Mann in mir, dem warm ist, zieht jedoch eine kurze Hose an und den zweiten Weg vor. Wie meine Beine aussehen, tut dabei absolut nichts zur Sache. Denn damit verhält es sich wie mit dem Nacktbaden. Es ist völlig okay, das aus welchen Gründen auch immer für sich selbst abzulehnen. Das Argument jedoch, die öffentliche Nacktheit solle den wenigen vorbehalten bleiben, die bestimmten ästhetischen Ansprüchen genügen, ist ein gesinnungstechnischer Offenbarungseid.

Apropos nackt. Im Zentrum der Tirade des bleichbeinigen SZ-Modefuzzis steht die Sorge, der Mann in kurzen Hosen könnte sich selbst zur Karikatur machen. Die Angst, womöglich lächerlich zu wirken, beherrscht das Geschlecht mit dem Y-Chromosom offenbar noch mehr als die, dass das Bier knapp werden könnte. Dabei, Hand aufs Herz, ist es von Natur aus doch eh schon zu spät: Wem wie ein Hampelmann eine alberne Strippe zwischen den Beinen baumelt, der sollte sich doch besser rundum locker machen. Es hilft ja nichts.

Den Männern wünsche ich viel Spaß in ihrem mobilen Schweißbad, in dem sie durch die Gegend waten, dazu noch lecker Turnschuhe, wo doch jeder weiß, dass der Mann von Natur aus ein krasses Fußschweißopfer ist. Und an die Frauen: Mir egal, was ihr von mir denkt. Ich will euch ja nicht heiraten.

Lesen Sie hier auch einen Beitrag über die Erotik der Wade.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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