Gastkommentar Rechte Feindeslisten: Gefährliches Geheimhalten

Der Staat gibt die Namen der betroffenen JournalistInnen auf den Feindeslisten von Rechtsextremen nicht preis. Das ist unverantwortlich.

Drei leere Adressschilder mit Klingelknöpfen daneben

Auf den Listen stehen neben den Namen auch die Adressen Foto: imago/Gerhard Leber

Systematisch Namen von Menschen zusammenzutragen, die man selbst als „Feinde“ einstuft, ist etwas anderes als Briefmarkensammeln. Wenn die „Feindeslisten“ dann auch noch im Umfeld von dem NSU und anderen Rechtsextremen ordentlich geführt werden, kann einem angst und bange werden.

Im Gegensatz zu gemütlichen Briefmarkensammlern sind die „Feinde-Sammler“ keine friedliebenden Zeitgenossen. Womöglich zählten die Listen-Ersteller sogar zu den Unterstützern der rechten Terrorszene. Der NSU hat gezeigt, dass aus Aufzeichnungen blutiger, ja tödlicher Ernst werden kann.

Mehr als 25.000 Namen wurden nach Angaben der Behörden so aufgelistet. Und was tun die Diener des Staates? Sie halten ihre Erkenntnisse vor ihren Bürgern geheim. Sie informieren nicht einmal JournalistInnen, die als besonders exponiert und damit besonders gefährdet gelten dürften, wenn sie derart von den Demokratiefeinden erfasst und gelistet wurden. Das ist unverantwortlich und kann gefährlich werden.

Indem er die Namen der Bedrohten geheim hält, macht sich der Staat schuldig, wenn auf die dort Genannten tatsächlich irgendwann ein Anschlag verübt werden sollte.

In einem ersten Schritt müssen Betroffene, die von Berufs wegen besonders gefährdet sind, nun vom Bundeskriminalamt darüber informiert werden, dass sie auf einer „Feindesliste“ stehen. Was spricht darüber hinaus gegen eine wissenschaftliche Aufarbeitung?

Dass man die Papiere mit Tausenden persönlicher Daten, zumal noch erstellt von mutmaßlichen Extremisten, nicht an die Öffentlichkeit geben will, ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Nachdem beim NSU auch nach dem Abschluss des Strafprozesses aber so vieles im Dunkeln geblieben ist, werden die Fragen immer drängender: Wer hatte Zeit und Energie, sage und schreibe 25.000 Namen von „Feinden“ zusammenzutragen und aufzuschreiben? Was sollte mit den Listen tatsächlich geschehen? Wann wussten die Sicherheitsbehörden davon? All dies sind Fragen, auf die es so rasch wie möglich befriedigende Antworten geben sollte.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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