Merkel und Macron vage wie Trump und Kim …

Frankreich und Deutschland haben ein eigenes Budget für den Euroraum beschlossen. Die CSU ist „fassungslos“ – und will die Kanzlerin nächste Woche zur Rede stellen

Küsschen von EU-Guru Jean-Claude Juncker: die Europäer Emmanuel Macron und Angela Merkel Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Aus Berlin Hannes Koch
und Stefan Reinecke

Der Euroraum soll ab 2021 einen eigenen Staatshaushalt erhalten. Das haben die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron bei ihrer Konferenz in Meseberg vereinbart. Das Budget dafür wird „aus nationalen Beiträgen, aus Steuer­einnahmen und aus europäischen Mitteln kommen“, heißt es in der Gipfelerklärung recht vage.

Die Eurostaaten haben zumindest beim Geld ihre Souveränität an die Europäische Zentralbank (EZB) übertragen. Doch eine gemeinsame Finanzpolitik gibt es nur ansatzweise, ebenso wenig wie es einen übergreifenden Staatshaushalt für den Euro­raum gibt. Die Europäische Union als Ganzes verfügt über einen Haushalt, der sich allerdings an den Interessen aller 28 EU-Staaten orientiert, nicht der 19 Euro-Mitglieder.

Weil Geldpolitik ohne Finanzpolitik zu massiven Problemen führe, will Macron für den Euro­raum ein eigenes Finanzministerium und einen Haushalt. Denn wenn Euro-Länder – man denke an Griechenland – in wirtschaftliche Probleme geraten, fehlt dem Euroraum eines der zentralen Instrumente, um die Lage zu stabilisieren. Die EZB steuert zwar den Geldwert und bestimmt so mit über Export- und Importpreise. Viel leichter fiele die wirtschaftliche Gesundung allerdings, wenn die Euro-Finanzministerin mal eben selbst 100 Milliarden Euro für ein Investitionsprogramm in den kriselnden Mitgliedsländern in die Hand nehmen könnte. Das würde die Konjunktur unterstützen, den Firmen helfen und Arbeitsplätze schaffen. Das Problem an Macrons Plan: Viele bundesdeutsche Politiker*innen, auch in der Union, fürchten, dass die Südländer – salopp formuliert – das Geld verjubeln.

Einen gemeinsamen Finanzminister für den Euroraum wird es deshalb vorläufig nicht geben. Und auch keinen richtig separaten Euro-Haushalt. Er soll – so unkonkret bleibt der Meseberger Vorstoß – irgendwie im Rahmen der bisherigen EU-Finanzen abgegrenzt werden. Zahlen fehlen komplett. Wobei nahe­liegt, dass, wenn zusätzliches Geld ausgegeben werden soll, irgendjemand mehr zahlen muss als heute. Die europäische Finanztransaktionssteuer wird nicht genug einbringen, um das komplette Eurobudget zu finanzieren. Die entsprechenden Debatten dürften spannend werden. Um sie in Grenzen zu halten, plädiert Merkel dafür, dass der Haushalt nur einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag umfasst. Macron dagegen spricht vom zehnfachen Volumen.

Der CSU-Politiker Hans Michelbach ist trotz des äußerst unverbindlichen Inhalts der Meseberger Erklärung auf der Barrikade. Merkels Zusage an Macron mache ihn „ziemlich fassungslos.“ Und: „Da sind Dinge versprochen worden, die weder durch den Koalitionsvertrag noch durch die bisherige Beratung der Unions-Fraktion gedeckt sind“, sagte er. Die Unionsfraktion hatte bereits Anfang des Jahres versucht, Merkels Handlungsspielraum in der EU einzugrenzen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fürchtet, dass der Eurozonenhaushalt „dem deutschen Gesetzgeber entzogen ist“. Die CSU will Merkel nächste Woche beim Koalitionsausschuss zur Rede stellen.

Was aus dem Eurozonenhaushalt wird, ist offen – nicht nur weil die CSU tobt. Auch EU-Staaten wie die Niederlande stehen dem Projekt skeptisch gegenüber. Ähnliches gilt für die von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) forcierte Idee einer Art Rückversicherung für die Arbeitslosenversicherung der Euro-Staaten. Gedacht ist an einen Fonds, der kriselnden Staaten Kredite gibt, damit die ihre Sozialsysteme stabilisieren können. Der Vorteil für Merkel und Scholz: Das soll, weil Kredit, nichts kosten. Details sollen erst Ende des Jahres vorliegen.

Insgesamt gab es in Meseberg viele Absichtserklärungen und Ankündigungen. Ganz konkret und solide verabschiedet ist offenbar nur ein Vorhaben. Frankreich und Deutschland werden ihre Regeln bei der Körperschaftssteuer angleichen.