Wirtschaftsminister über Klimaschutz: „Als Kanzlerin eigne ich mich nicht“

Peter Altmaier erklärt, wieso Deutschland beim Klimaschutz bisher kaum vorangekommen ist – und wie die Kohlekommission helfen soll.

Peter Altmeier steht vor blau-violettem Hintergrund

Der Kohleausstieg wird nicht so einfach für den Bundeswirtschaftsminister Foto: ap

taz: Herr Altmaier, Sie sind doch sicher heilfroh, nicht mehr Umweltminister zu sein.

Peter Altmaier: Wieso? Das waren spannende Jahre, die ich in meiner Vita nicht missen möchte. Wir haben den Atomausstieg endgültig abgesichert, das Endlagersuchgesetz und das Asse-Gesetz verabschiedet. Und wir haben viel für die Akzeptanz der Energiewende und ihre marktwirtschaftliche Transformation erreicht. Beim Klimaschutz sind wir vorangekommen. Auch jetzt fühle ich mich aus Überzeugung für ökologische Themen verantwortlich: Einmal Umweltminister, immer Umweltminister.

Beim Klimaschutz sind Sie eben nicht vorangekommen. Ihre Nachfolgerin Svenja Schulze muss jetzt die Blamage verantworten, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für 2020 um ein ganzes Viertel verfehlt.

Es stimmt, dass wir bei unserem nationalen Ziel wohl nicht erfolgreich sein werden – unter anderem wegen des hohen Wirtschaftswachstums. Und ja, es schadet unserer Glaubwürdigkeit, wenn wir mit viel Pomp hohe Ziele verkünden, sie am Ende aber nicht einhalten. Wir müssen daraus Lehren ziehen und alles daransetzen, das 2030-Ziel auf jeden Fall zu erreichen.

Davon ist aber nichts zu sehen.

Im Energiebereich schaffen wir mit der Strukturwandel-Kommission, die diese Woche ihre Arbeit aufgenommen hat, wichtige Voraussetzungen für mehr Klimaschutz. Die Kommission ist dabei so zusammengesetzt, dass Wirtschaft und Umwelt zusammengedacht werden.

Die Kommission heißt „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“. Von Klimaschutz ist nicht die Rede. Zeigt das, wo Sie die Prioritäten setzen?

Es ist richtig, dass wir erst über neue Arbeitsplätze und konkrete Perspektiven für die betroffenen Regionen wie die Lausitz sprechen. Für einen Ausstieg brauchen wir die Akzeptanz der Menschen. Da hängen in den strukturschwachen Regionen Existenzen dran. Erst wenn das geklärt ist, sprechen wir über Abschalttermine. Die Kommission wird nur erfolgreich sein, wenn die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden.

Der CO2-Ausstoß aus der Kohle soll laut Mandat der Kommission bis 2030 im Vergleich zu 1990 nur um 62 Prozent sinken. Das reicht nicht, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, sagen nicht nur Umweltverbände, sondern auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung.

Wir haben dieses Ziel in hartem Ringen festgelegt, und bisher sind alle beteiligten Ressorts der Auffassung, dass die Vorgabe richtig ist. Der Sachverständigenrat ist ein wichtiges Gremium, aber er gibt nur Empfehlungen. Entscheiden muss die Politik. Und ich bin überzeugt, dass wir im Energiebereich unsere Ziele erreichen können, auch wenn es nicht einfach ist.

Aber ein Gesamtkonzept fehlt. Deutschland ist Weltmeister bei den Klimazielen, aber Kreisklasse bei konkreten Maßnahmen.

Geben Sie der neuen Regierung doch eine Chance! Für die Treibhausgas-Emissionen im Bereich der Kohle haben wir die Kommission, und selbstverständlich müssen wir bei Gebäuden, der Energieeffizienz, im Verkehr und in der Landwirtschaft noch viele Hausaufgaben machen.

Die Chance zum Handeln hatte eine Regierung unter Angela Merkel seit zwölf Jahren. Passiert ist nichts.

Ich bestreite, dass nichts passiert ist. Es geht vielleicht nur Schritt für Schritt, aber es geht voran. Der aktuelle Klimaschutzbericht des Umweltministeriums zeigt, dass in der Energiewirtschaft die Emissionen der Energiewirtschaft erneut zurückgegangen sind. Im Industriesektor blieben die Emissionen trotz guter Konjunktur nahezu unverändert.

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Im Verkehr sind die Emissionen sogar gestiegen!

Wir hatten vor zwölf Jahren einen Anteil von Erneuerbaren am Strommix, der war kaum nachweisbar. Heute liegen wir immerhin bei 36 Prozent.

Aber die CO2-Emissionen sinken nicht.

Immerhin werden wir diese bis 2020 gegenüber 1990 nach unseren Schätzungen um 32 Prozent reduzieren. Es ist nicht die Schuld der Bundesregierung, dass die Preise für den EU-Emissionshandel so in den Keller gerutscht sind. Das System haben wir Ende letzten Jahres reformiert, das beginnt zu wirken, die Preise liegen bei rund 15 statt bei 5 Euro pro Tonne noch vor einem Jahr.

Aber in Deutschland setzen Sie nicht einmal das um, was im Koalitionsvertrag steht. Die zusätzliche Ausschreibung von Wind- und Solaranlagen kommt erst mal nicht.

Der Koalitionsvertrag wird umgesetzt. Darin steht aber auch, dass die Voraussetzung für die Sonderausschreibungen die Aufnahmefähigkeit der Netze für den neuen Ökostrom ist. Wenn sich die Regierungsfraktionen da einigen, bringe ich das Gesetz ein. Allerdings gibt es im Moment gar nicht genug genehmigte Windanlagen, um die zusätzlichen Ausschreibungen innerhalb von zwei Jahren umzusetzen. Es wäre daher sinnvoll, sie so zu entzerren, dass die neuen Windräder auch gebaut werden können.

Beim CO2-Sparen im Verkehr würden schärfere EU-Grenzwerte für Autos helfen. Aber in Brüssel bremst Deutschland.

Peter Altmaier, 60, ist seit März Wirtschafts- und Energie­minister. Bis 2013 war der saarländische CDU-Politiker Umwelt­minister, dazwischen diente er Angela Merkel als Kanzleramtsminister.

Die Werte werden seit Jahren ständig verschärft. Für 2030 hat die EU-Kommission jetzt eine weitere Reduzierung um 30 Prozent vorgelegt. Die Bundesregierung hat dazu noch keine abgestimmte Haltung. Aber ich halte das durchaus für einen durchdachten Vorschlag, den ich unterstützen kann. Wir dürfen nicht den erneuten Fehler machen, unrealistische Ziele zu fordern.

Der Vorschlag der Kommission bringt nicht mal 10 Prozent der Einsparungen, die Deutschland in diesem Bereich schaffen muss.

Schon dieses Ziel ist aber nur erreichbar, wenn der Anteil von Elektroautos drastisch steigt. Das ist bisher nicht geschehen, denn es setzt voraus, dass bezahlbare Modelle mit genug Reichweite zur Verfügung stehen, die für die Kunden attraktiv sind.

Auch die Gebäudesanierung kommt nicht voran. Der Finanzminister stellt die Mittel einfach nicht in den Haushalt ein.

Ich unterstütze den Finanzminister in seinem Ziel, einen Haushalt ohne neue Schulden und ohne Steuererhöhungen zustande zu bringen. Ich sehe mich aber auch in der Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die energetische Gebäudesanierung kommt. Ich bin auch optimistisch, dass mir das gelingen wird.

Im Moment wählen viele Bauherren immer noch eine rein fossile Heizung, weil sie am billigsten ist.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Dort wo ich im Saarland wohne, gibt es weder Gas- noch Fernwärmeanschluss. Für eine Kombination von Solarthermie oder Wärmepume mit meiner alten Ölheizung gab es keine geeignete Software-Lösung. Darum ist es bei mir wieder eine Ölheizung geworden, wenn auch mit Brennwertkessel.

Helfen würde eine CO2-Steuer, die Öl und Gas teurer und Ökostrom billiger machen würde.

Die wird derzeit aber von keinem Koalitionspartner gefordert, und sie steht auch nicht im Koalitionsvertrag. Deshalb steht die Frage aktuell nicht auf der Tagesordnung.

Glauben Sie angesichts der aktuellen Regierungskrise denn eigentlich, dass Sie noch lange im Amt sind?

Da bin ich entspannt und gelassen. Der Klimaschutz wird ohnehin jeden Minister befassen, ganz gleich, wie er heißt. Ich denke, dass sich am Ende alle zusammenraufen werden.

Sie waren ja mal Umweltminister. Eine andere Ex-Umweltministerin ist später Kanzlerin geworden. Stehen Sie dafür auch bereit, falls es kurzfristig nötig werden sollte?

Als Bundeskanzlerin eigne ich mich schon aufgrund meines Geschlechts nicht.

Ist das der einzige Hinderungsgrund?

Die Planstelle ist mit Angela Merkel hervorragend besetzt, und ich habe auf absehbare Zeit mit meinen Wirtschafts-, Energie- und Klimathemen wirklich gut zu tun.

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