Kommentar Nahles über Asylpolitik: Mit den Argumenten der Rechten

Während Zehntausende gegen die AfD auf die Straße gehen, sagt die SPD-Chefin: „Wir können nicht alle bei uns aufnehmen“. Wie bescheuert.

SPD-Politikerin Andrea Nahles

SPD-Chefin Andrea Nahles will die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären Foto: dpa

Samstagmorgen in Deutschland. In Berlin laufen die Vorbereitungen für die zahlreichen Anti-AfD-Demonstrationen auf Houchtouren. Mindestens 25.000 Menschen gehen tags darauf unter dem Motto „Stoppt den Hass“ gegen die Rechtspopulisten auf die Straße. Sie protestieren gegen Ausländerfeindlichkeit, Flüchtlingshetze und Ausgrenzung. Mit dabei natürlich auch die SPD, allen voran die Jusos.

Am anderen Ende der Republik finden die Leser der Passauer Neuen Presse am Samstag die Wochenendausgabe ihrer Zeitung im Briefkasten. Darin ein Interview mit der im April (wenn auch mit mauem Ergebnis) gewählten SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles.

Nun könnte Nahles den Demonstranten in Berlin Rückendeckung geben. Die Zivilgesellschaft feiern, die sich am darauffolgenden Tag den Rechten entgegenstellen will. Aber nein – Andrea Nahles hat anderes vor. „Wir können nicht alle bei uns aufnehmen“, sagt die Parteivorsitzende und fordert von den Grünen, die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer nicht länger zu verhindern.

„Menschen, die weder geduldet noch als Asylbewerber anerkannt werden, müssen schneller Klarheit haben, dass sie nicht bleiben können und zurückgebracht werden“, sagt Nahles. Das gehöre unweigerlich zur Willkommenskultur dazu. „Sie funktioniert nur zusammen mit einem durchsetzungsstarken Rechtsstaat.“

Schöner hätte selbst die AfD Diskurse nicht verdrehen können. Die von Nahles kolportierte Forderung „alle aufzunehmen“ existiert nämlich bisher hauptsächlich in der geistigen Parallelwelt des rechten Politikkosmos. Die begründete Skepsis der Grünen in Bezug auf die Sicherheit der Maghreb-Staaten wird in ein Plädoyer nach offenen Grenzen umgedeutet. So weit, so irreführend.

Der Sinn des konfusen Zusammenhangs zwischen Willkommenskultur und durchsetzungsstarkem Rechtsstaat dürfte sich auch nur Nahles selbst erschließen. FAZ-Redakteur Patrick Bahners verbrachte das halbe Wochenende damit, auf Twitter die Äußerungen der SPD-Vorsitzenden zu zerpflücken.

„Dass nicht vollzogene Abschiebungen den Rechtsstaat gefährdeten, ist Unsinn. Der Rechtsstaat sichert die Freiheit der Bürger gegen den Staat. Kein einziger Rechtsanspruch eines Bürgers ist beeinträchtigt durch einen Vollzugsstau bei Abschiebungen.“ Die Willkommenskultur sei ein Ausdruck der Tugenden der Gastfreundschaft und Höflichkeit und könne nicht unter einen juristischen Vorbehalt gestellt werden, schreibt Bahners weiter.

Dem ist eigentlich wenig hinzuzufügen. Außer, dass Nahles' Äußerungen auch in der eigenen Partei abseits der eigenen Seilschaften wenig Anklang fand. Der zuletzt in Sachen Vorstandskritik deutlich zahmer auftretende Juso-Chef Kevin Kühnert fand auf Twitter deutliche Worte: „Hört auf ihr Spiel (Anmerkung: der AfD) zu spielen, ihre Argumente zu übernehmen, ihre Sprache zu nutzen. Ihr holt so niemanden zurück und verprellt stattdessen die anderen.“

Es ist schon paradaox. Die SPD gurkt nach dem historisch schlechten Wahlergebnis in den Umfragen nur noch bei 18 Prozent herum und die Parteivorsitzende hat nichts Besseres zu tun, als der Weltsicht der Rechten hinterherzulaufen, denen sich die Zivilgesellschaft und die eigene Parteibasis auf den Straßen Berlins entgegenstellt. So wird das nichts mit #spderneuern.

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