Folgen der Hitze in Niedersachsen: Kein Tropfen mehr

Im Landkreis Stade ist am Wochenende das Wasser knapp geworden. In manchen Haushalten kam nichts mehr aus dem Hahn. Jetzt ist Wassersparen Pflicht.

Eine Frau gießt Pflanzen mit einem Gartenschlauch

Erhöhter Wasserbedarf überlastet das Leitungssystem – und am Ende kommt nichts mehr an Foto: dpa

HANNOVER taz | Im Imagefilm des Trinkwasserverbandes Stader Land sprudelt das Wasser noch. Da plätschert ein Brunnen, ein Mädchen spielt fröhlich im Planschbecken.

Tatsächlich hat der Wasserversorger aus dem Landkreis Stade, der dort alle Gemeinden außer die Städte Stade und Buxtehude versorgt, solche Wasserverschwendung per amtlicher Bekanntmachung untersagt. Rasensprenger, Wagenwäschen und die Befüllung privater Schwimmbäder seien aufgrund der „seit Wochen anhaltenden Trockenheit“ ab sofort verboten, heißt es auf der Internetseite des Wasserversorgers. Der Grund: Mancherorts kam am Wochenende gar kein Wasser mehr aus dem Hahn.

Das Problem sei nicht, dass das Wasser knapp sei, sagt Geschäftsführer Fred Carl. „Die Grundwasserbestände sind nicht gesunken.“ Stattdessen sei das Leitungssystem hydraulisch überlastet. Die Menschen im Landkreis Stade hätten am Wochenende rund ein Drittel mehr Wasser als sonst benutzt. Bei den Haushalten am Ende der Leitungen sei wegen des hohen Verbrauchs nichts mehr angekommen.

Carl führt das auf Reibungsverluste zurück, die umso größer werden, umso höher die Geschwindigkeit ist, mit der das Wasser durch die Rohre fließt. Benutzen viele Menschen gleichzeitig Wasser, ist die Geschwindigkeit hoch. „Das Netz ist letztlich kollabiert.“

Am kritischsten sei die Situation in den Abendstunden. Denn Ursache für den Engpass sei neben den besonders heißen Tagen im Mai auch eine grundsätzliche Entwicklung: „Früher war es so, dass die Hausfrauen tagsüber Wäsche gewaschen und die Gärten bewässert haben“, sagt Carl. Heute arbeiteten beide Partner. „In den Abendstunden stellen dann alle den Rasensprenger oder die Waschmaschine an und gehen duschen.“

Fred Carl, Trinkwasserverband Stader Land

„Früher war es so, dass die Hausfrauen tagsüber die Gärten bewässert haben. Heute stellen abends alle den Rasensprenger an“

Der niedersächsische CDU-Abgeordnete Helmut Dammann-Tamke lebt in der Gemeinde Harsefeld. „Statt einem Duschstrahl hat man nur ein kleines plätscherndes Rinnsal“, sagt er. Schon vor rund zwei Wochen habe der Wasserdruck in den Leitungen nachgelassen.

Am Wochenende hätte das bei einem Brand in der nahen Ortschaft Ruschwedel katastrophale Konsequenzen haben können, erzählt der Abgeordnete. Die Feuerwehr habe vor Ort feststellen müssen, „dass auf den Hydranten bei weitem nicht der erforderliche Druck“ sei.

Gemeinsam mit nachalarmierten Feuerwehrleuten aus den Nachbargemeinden habe man mehrere hundert Meter lange Schlauchleitungen zu einem Löschteich gelegt, um das Dach des Hauses zu löschen. Das kostet Zeit. „Spätestens an dem Punkt ist vor Augen geführt worden, dass es so nicht gehen kann“, sagt Dammann-Tamke. Der Wasserversorger müsse sich fragen lassen, ob die Infrastruktur ausreichend sei.

Auch für Landwirte, die keine eigene Wasserversorgung über einen Brunnen besitzen, kann der Engpass zum Problem werden. Für seine 23.500 Hähnchen braucht ein Landwirt aus Wischhafen im Landkreis Stade rund 6.000 Liter Wasser am Tag. Seinen Namen möchte der Tierhalter nicht in der Zeitung lesen.

Zu wenig Druck auf den Leitungen

Statt zwei Bar seien am Wochenende nur rund 0,5 Bar Druck auf den Leitungen gewesen. „Das hätte zum Problem werden können.“ Auch er bekommt das Wasser vom Trinkwasserverband Sta­der Land. Ganz weg war das Wasser allerdings nie. Der Landwirt konnte seine Tiere versorgen. „Ansonsten hätten wir von irgendwoher Süßwasser mit einem Wassertank herkriegen müssen.“

Laut dem niedersächsischen Umweltministerium gibt es auch im Heidekreis und dem Versorgungsgebiet des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasservebands Engpässe. Auch dort gebe es keine Verringerung der zur Verfügung stehenden Wasserressourcen, sagt Ministeriumssprecherin Sabine Schlemmer-Kaune. Die Wasserversorger könnten allerdings nicht uneingeschränkt darauf reagieren, wenn die Menschen mehr Wasser verbrauchten. Aus ökologischen Gründen gebe es bei der Entnahme des Wassers Höchstgrenzen. Die Folge sei der beschriebene Druckabfall in den Leitungen. Mit einer Wasserknappheit habe das aber ausdrücklich nichts zu tun, versichert die Sprecherin.

Eine Folge des Klimawandels

Die heißen Temperaturen sind dennoch der Auslöser für den Engpass. „Der April war in Deutschland schon der heißeste April seit gut hundert Jahren“, sagt der Meteorologe Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Auch in diesem Mai seien die Temperaturen extrem. „Die Temperaturrekorde häufen sich und das ist ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass der Klimawandel auch in Deutschland stattfindet“, findet Latif. Gemeinden müssten sich darauf einstellen, dass es in den kommenden Jahren zu mehr Trockenheit, aber auch heftigen Niederschlägen kommen könne, sagt der Meteorologe.

Im Landkreis Stade hat der Appell des Wasserversorgers schon etwas bewirkt. Am Montag hatte sich die Versorgung wieder weitgehend entspannt, berichtet der Trinkwasserverband Stader Land. „Die Leute haben offensichtlich drauf gehört“, sagt Geschäftsführer Carl. Das Wasserunternehmen wäre sogar berechtigt, einem Kunden, der trotz der amtlichen Bekanntmachung sein Auto mit dem Gartenschlauch wäscht, das Wasser fristlos abzustellen.

Obwohl die Verbraucher bisher ohne Zwang sparsamer haushalten, will Carl mit einer völligen Entwarnung noch warten. Schließlich stehen der Region weitere heiße Tage bevor.

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