berliner szenen
: Da stehndie frisierten Jungs

Der 1. Mai kommt wieder. Wie eine feste Verabredung. Im letzten Jahr war ich den Tag über auf der Pfaueninsel und saß dann müde in der S-Bahn. Gegenüber zwei Mädchen, die sich herausgeputzt hatten. Sagte die eine: „Haste den Schlüpper ooch richtich rum an?“ Die andere quietschte auf und sagte „Und die Titten stramm wien Stahlwerk!“ Und mit einem Schlag war die Erholung dahin, waren die Rufe der Pfauen verschwunden. Und dann redeten sie sich bis zum Alexanderplatz nur noch mit „Du Geschlechtsteil“ an und kicherten.

Ich fuhr weiter zum Kottbusser Tor und traf dort wenig später T. Wir suchten in der Dresdner Straße nach einer offenen Kneipe. Alles war verrammelt, in der Ferne hörten wir die Sprechchöre: Ich hass Berlin, hass die Polizei! Schmitz Katze war geöffnet, Punkrock schepperte aus den Boxen. Wir setzten uns an den Tresen neben drei Typen, die auch die Finger tätowiert hatten. Einer drehte sich zu uns: „Na, Arbeit, Jungs? Watt macht ihr so?“ – „Wir sind Schriftsteller“, sagte T. „Erfolgreich? Mittel? Wie heißte?“, fragte der Typ. „Tom Schulz!“, sagte T. Der Typ zog ein Smartphone aus der Innentasche seiner Bomberjacke. „Dit google ick ma gleich!“ In seinem linken Ohrläppchen steckte ein großer, weißer Ring, durch den man hindurchsehen konnte. „Boah, nee, dit is ja ’n Name, nee, da kommt zu viel!“ – „Is egal“, sagte T., „Und du, was machst du?“ Die Musik setzte kurz aus. Draußen wurden die Sprechchöre lauter: Ich hass Berlin, hass die Polizei! „Boah, hört ma, da stehn die frisierten Jungs uffn Stufen und machen een uff dicke Hose. Wenn den dit hier nich passt, könnse ja ooch nach Hannover, oder?“ Wir zuckten mit den Schultern. „Und was macht du?“, wiederholte T. Der Typ fixierte uns, rückte dann näher zu uns ran und sagte leise: „Na weeßte, wir ham ne Firma für nix Konkretes!“ Björn Kuhligk