1. Mai in Berlin: Er ist wieder da

Lohnarbeit, Gentrifizierung, Kapitalismus, der Krieg gegen KurdInnen – ein Überblick gegen was rund um den 1. Mai demonstriert wird.

Viele Menschen auf der Straße, im Vordergrund zwei Polizisten

In Kreuzberg wird es wieder voll werden Foto: dpa

Wie in jedem Jahr beginnt der 1. Mai bereits am Vorabend und muss nicht unbedingt berauscht und unter Polizeiaufsicht am Kottbusser Tor enden. Zwischen antikapitalistischem Aktivismus, hedonistischem Traditionalismus, Antifaschismus und visionärem Kampf gegen den Zwang zur Lohnarbeit ist für jeden Bedarf und Geschmack etwas im Programm.

30. April, 16 Uhr, Wedding

Am Montagnachmittag findet zum sechsten Mal die Organize-Demonstration durch den Wedding statt. Auch wenn das aufrufende Bündnis fest im Lokalen verankert ist, ist der Anspruch keineswegs auf den Kiez beschränkt. Ausgehend von exemplarischen Problempunkten im Kiez wird auf die Gesamtverhältnisse gezielt. Ob Gentrifizierung, Überwachung, Repression oder Diskriminierung – es gibt viel anzuprangern und die antikapitalistische Demo vom U-Bahnhof Seestraße über den Nauener Platz bis zum U-Bahnhof Osloer Straße wird genau das unter dem Banner widerständiger Solidarität tun.

1. Mai, 11 Uhr, Mitte

Solidarität hat sich auch der DGB auf die Fahnen geschrieben. Die Gewerkschaftsdemonstration führt ab 11 Uhr vom Hackeschen Markt über die Leipziger Straße bis zum Brandenburger Tor. Dort gibt es bis in den Abend Unterhaltungsprogramm, Hüpfburg, das ganze traditionelle Programm eben. Zur Demo rufen auch Basisgewerkschaften und Initiativen auf, die sich in einem klassenkämpferischen Block sammeln wollen.

1. Mai, 11 Uhr, Pankow

Die AfD möchte den 1. Mai nutzen, öffentlich Bürgernähe zu zeigen. Ihr Maifest soll im Pankower Bleichröderpark stattfinden. Wie auch im vergangenen Jahr ist eine antifaschistische Gegenkundgebung angekündigt. 2017 war die AfD im Pankower Bürgerpark, abgeschirmt von einem großen Polizeiaufgebot, über Stunden mit mehreren hundert Protestierenden konfrontiert gewesen.

1. Mai, ab 11.30 Uhr, Kreuzberg

15 Jahre sind es nun schon, dass das Myfest die Massen durch SO36 spült. Neun Bühnen mit Programm werden zwischen Oranienplatz und Görlitzer Bahnhof bespielt. Die entscheidende Neuerung in diesem Jahr ist die Zugangskontrolle im Görlitzer Park, die laut Bezirk vor Vandalismus und Überfüllung schützen soll. Auch sind weniger Standgenehmigungen für das Festgebiet erteilt worden, was Hunderttausende BesucherInnen nicht hindern wird, sich rund um die Oranienstraße durch den Kiez zu drängen. Bezirk und Polizei zeigen sich optimistisch, dass das Konzept einer organisierten Großparty den Mythos der Kreuzberger Mai-Randale weiterhin auf eine historische Anekdote reduziert.

1. Mai, 14 Uhr, Grunewald

An ganz andere Traditionen anknüpfen will derweil die Hedonistische Internationale. Die Aktiven rufen dazu auf, vom Startpunkt S-Bahnhof Grunewald durch das Villenviertel zu demonstrieren. 17 Uhr soll dort Feierabend sein, damit die TeilnehmerInnen es rechtzeitig zum Beginn der Revolutionären 1.-Mai-Demo nach Kreuzberg schaffen.

1. Mai, 18 Uhr, Kreuzberg

Allen gesellschaftlichen Depolitisierungstendenzen zum Trotz steigt der Zuspruch zur Revolutionären 1.-Mai-Demonstration. Von verschiedenen Seiten immer wieder als verzichtbare Folklore verschrien, gelingt es den OrganisatorInnen zunehmend, mit Bezug auf aktuelle soziale und politische Konflikte auf den Oranienplatz zu mobilisieren. Dieses Jahr liegt ein Schwerpunkt auf der dramatischen Situation der KurdInnen in der Türkei und Syrien. Die nicht angemeldete Demo soll die Fahnen der kurdischen Bewegungen präsentieren, explizit auch jene von in Deutschland verbotenen Organisationen. Hüse­yin Dersim, Vertreter des kurdischen Verbandes Nav-Dem, sieht diese Solidarisierung der deutschen Linken positiv. „Es ist gut, dass der deutschen Ver­bots­politik hier gesellschaftlicher Druck entgegengesetzt wird. So wird gezeigt, dass die Diskreditierung der kurdischen Kämpfe immer weniger akzeptiert ist.“

2. Mai, 13 Uhr, Prenzlauer Berg

Am 2. Mai schließlich führt eine ganz entspannte Demonstration die Schönhauser Allee entlang. Zum fünfzehnten Mal wird hier dem Zwang zur Lohnarbeit eine Absage erteilt (Start ist am Senefelderplatz). Unter dem Motto „Mein Freund ist Roboter“, wahlweise auch „Wir haben Zeit“, wird der Zug bis zu den Schönhauser-Allee-Arkaden und wieder zurück gehen. Gemeinsam mit Lesebühnenstars können die TeilnehmerInnen für das bedingungslose Grundeinkommen demonstrieren und dabei das „Gebet gegen die Arbeit“ des seligen Michael Stein skandieren.

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