Besonderes Verfahren

Polizisten besuchen G20-Zeugenseminar

Von Kai von Appen

Es ist bereits der 42. Prozess, der sich mit den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg befasst. Und das dritte G20-Verfahren, das der Hamburger Amtsrichter Johann Krieten führt, der sich im Boulevard den Namen „Richter Knallhart“ eingehandelt hat: Er hatte im ersten Verfahren weit über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus eine Haftstrafe ohne Bewährung verhängt. Auch sein aktuelles Verfahren gegen Jörg R. begann am Dienstag kurios – mit einem Haftbefehl gegen den 35-jährigen Angeklagten.

R. saß nach dem G20-Gipfel bereits zwei Wochen in Untersuchungshaft, bevor der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde. Die Verkündung des Haftbefehls im Verhandlungssaal war bloß eine Show-Einlage, denn Krieten ließ gleich noch Justizbeamte aufmarschieren, um wenig später Haftverschonung zu verkünden.

Es geht in dem Prozess um versuchte gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte. R. soll am Abend des 7. Juli bei Ausschreitungen im Schanzenviertel fünf Flaschen auf Polizisten geworfen haben. Aussagen von Beamten, die getroffen wurden, gibt es nach Aktenlage nicht. Alleinige Tatzeugen sind sogenannte Tatbeobachter einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) aus Sachsen-Anhalt, die sich in Zivil im Schanzenviertel aufgehalten haben sollen, aber nie von der Sonderkommission „Schwarzer Block“ vernommen wurden.

Schon da tut sich ein Rechtsproblem auf. Das Legalitätsprinzip, dem PolizistInnen unterworfen sind – sofern sie als verdeckte Ermittler gegen schwerste Kriminalität eingesetzt sind – sieht vor, dass sie einschreiten müssen, wenn sie eine Straftat beobachten. Über den BFE-Beamten hängt also das Damoklesschwert der Strafvereitelung im Amt, sollte es die Flaschenwürfe gegeben haben.

Am Donnerstag sagte ein Beamter aus der BFE-Gruppe als Zeuge aus, dass die Flaschenwürfe „zwei, drei und vier“ getroffen hätten. Das habe er seinem „Merkbuch“ entnommen. Ob er dies noch besitze, wisse er nicht. In der Befragung durch die Verteidigung stellte sich dann heraus, dass die Polizeizeugen aus Sachsen-Anhalt vorige Woche in einem Seminar von einem ehemaligen Richter auf ihre Zeugenaussagen vorbereitet worden sind.

Schon im G20-Verfahren gegen Konstantin P. hatte sich herausgestellt, dass die Beamten einer hessischen BFE intensiv durch die Bereitstellung sämtlicher Vernehmungsprotokolle der Kollegen, Zeugenaussagen, Vorladungen und G20-Anweisungen auf ihre Zeugenaussagen vorbereitet worden sind. Nach der Strafprozessordnung sollen Zeugen aber frei und unbeeinflusst aussagen. Verboten ist so ein Zeugenseminar wie der Polizei Sachsen-Anwalt zwar nicht, „es wirft aber ein Licht auf dieses Verfahren“, sagt der Verteidiger von Jörg R. Der Prozess gegen ihn wird am Donnerstag fortgesetzt.