Die Wahrheit: Ein Whisky namens Habertürk

Ein Tasting ist zum Trinken da. Sonst würde man all die Mittrinker und ihre kennerischen Geschmacksexplosionen nicht ertragen.

Ein Besäufnis mit Programm heißt „Tasting“. Was natürlich extra kostet. Dafür gibt es einen Spirituosenkundler als Moderator sowie schnüffelnde, schmatzende, mit kennerisch gespitzten Schnäuzchen Fachvokabeln tremolierende Mittrinker. Gerade beim Whisky-Tasting wird die Fibel des Kulturalkoholikers im Laufe des Abends vollständig abgearbeitet: Bukett, Abgang, Vanille-, Rauch- und Türklinkenaromen, Salz, Torf, Krähenurin. Nicht zu vergessen: Geschmacksexplosionen. Kenner schmecken sogar heraus, ob das Fass an der Außenwand gelagert wurde oder ob in der Nähe mal eine Scheune gebrannt hat.

Zu meinen ostdeutschen Jugendzeiten trank man keinen Whisky, sondern Goldbrand, eine aus Weinbrand und Agrar­alkohol zusammengemischte Spirituose, die Flasche für 14,50 Mark. Es gibt ihn immer noch. Er ist der Whisky des kleinen Mannes, neben dem Ampelmännchen und Pittiplatsch der dritte Überlebende aus DDR-Zeiten.Goldbrand wurde nicht verkostet, sondern heruntergewürgt. Nur Helden konnten das pur. Eine Flasche hieß, warum auch immer, „Öke“. „Da ham wa jestern zu dritt fünf Öken niederjemacht!“, erzählten wir stolz. Was die Verhältnisse auf den Kopf stellt, denn in Wahrheit hatten die Öken uns niedergemacht.

Die Herkunft des Wortes „Öke“ liegt im Dunkeln. Das Internationale Archiv zur Geschichte des Alkoholismus, Zweigstelle Nordhausen, meldet Fehlanzeige. Eine Sprachenseite im Internet meint, „Öke“ sei abschätzig für „Ökoaktivistin“. Außerdem weiß sie immerhin wie ich, dass es eine mit Trinkalkohol befüllte Flasche bezeichnet. Ansonsten gefällt mir eine türkische Seite, auf der „Mim Kemal Öke kimdir? – Habertürk!“ zu lesen ist. Klingt lustig, hat aber vermutlich nix mit der Schnapsflasche zu tun.

Hoffentlich verbirgt sich hinter „Habertürk“ keine Beleidigung des türkischen Präsidenten. Zwar wäre ich manchmal gern ähnlich bekannt wie Deniz Yücel, kann aber gut darauf verzichten, dass Freunde eine Kampagne „Free Robert“ ins Leben rufen. Dass der deutsche Außenminister wegen mir den türkischen Botschafter einbestellt, kann ich sowieso vergessen; ich habe mich mal über den Minister lustig gemacht und ihn – in Anspielung auf die Nationalhymne – „Memel“ statt „Maas“ genannt. Ist jetzt nicht mein bester Witz, aber selbst Cristiano Ronaldo schießt seine Tore nicht alle per Fallrückzieher.

Wer kontrolliert trinkt, hat das Konzept Alkohol nicht verstanden. Daher ist ein Tasting erst dann wirklich beendet, wenn du wieder zu Hause bist. Dafür gibt es drei Möglichkeiten: Entweder man ruft ein Taxi, oder man versucht es mit Bus und Bahn, oder man lässt sich abholen. Die Entscheidung, welche dieser drei Varianten man in Anspruch nimmt, erübrigt sich allerdings, wenn man das Tasting mit Variante vier beendet: in stabiler Seitenlage. Obwohl natürlich gilt, was Harry Rowohlt einst wusste: Betrunken bist du erst, wenn du ohne fremde Hilfe nicht mehr auf dem Rücken liegen kannst.

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Robert Niemann glaubt, dass er am Reck den Aufschwung schafft, weil er den schließlich vor 40 Jahren auch schon konnte. Er freut sich, wenn ein zwölfjähriges Mädchen eine auf ihrem Smartphone ankommende Nachricht mit den Worten: „Och nee, schon wieder mein Ex!“ kommentiert. Muss er den Hip Hop seines jungerwachsenen Sohnes mithören, verkneift er sich den Satz: „Und das soll Musik sein?“ Seit dreißig Jahren schreibt er für die gängigen humoristischen Fachpublikationen des Landes mehr oder weniger komische Texte - meistens mehr.

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kari

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