OB-Wahl in Freiburg: Ex-Grüne gegen Alt-Grünen

Monika Stein möchte am Sonntag Oberbürgermeister Dieter Salomon ablösen. Ihr Thema: wohnen. Ihr Wahlkampfdrink: „Salomons Albtraum“.

Eine frau, Monika Stein

Und wenn es nicht klappt, Frau Stein? „Dann gehe ich zurück in die Schule“ Foto: Andree Kaiser

FREIBURG taz | Die Bierbänke sind restlos besetzt, das Café Atlantik ist eine Institution in Freiburg. Heute sind es die drei aussichtsreichsten Oberbürgermeister-Kandidaten, die für ein brechend volles Haus sorgen. Monika Stein, randlose Brille, rote offene Haare und ein selbstbewusstes Lächeln, sitzt zwischen Amtsinhaber Dieter Salomon und dem jungen Herausforderer von der SPD, Martin Horn. Wenn ihre Kontrahenten reden, zuckt manchmal ihre rechte Augenbraue belustigt.

Etwa als OB Dieter Salomon überraschend Bereitschaft signalisiert, ein Musikerhaus mit Proberäumen und Auftrittsmöglichkeiten zu unterstützen, sagt sie nur trocken: „Das Schöne am Wahlkampf ist, dass sich manche Dinge plötzlich ganz schnell regeln“, und hat die Lacher auf ihrer Seite.

Es ist OB-Wahlkampf in Freiburg und viele gehen hin. Nicht nur im Café Atlantik, auch bei anderen Kandidaten-Debatten müssen Bürger nach Hause geschickt werden. Ist das die Wechselstimmung? Eigentlich bietet die Ausgangslage wenig Platz für Überraschungen. Seit 16 Jahren regiert der Grüne Dieter Salomon die Stadt mit dem toskanischen Klima so bürgerlich, dass die CDU schon zum zweiten Mal keinen eigenen Kandidaten gegen ihn ins Rennen schickt. Es gibt die üblichen Abnutzungserscheinungen, aber keine großen Verfehlungen. Doch Monika Stein, die einzige Frau unter den insgesamt sechs Kandidaten, setzt darauf, dass die Leute genug haben von dem souverän, aber auch etwas selbstherrlich regierenden OB.

Der Abend im Café Atlantik ist für Stein ein Heimspiel. Die jungen, im Zweifel links orientierten Studenten, die Subkultur-Szene, sie sehen in der Hauptschullehrerin und langjährigen Stadträtin ihre Kandidatin. Aber nicht nur sie.

Einige Tage später, ein Treffen mit Stein in einem Café in der Freiburger Innenstadt: Während des Gesprächs kommen immer mal wieder Leute am Tisch vorbei: „Wir wählen sie und drücken die Daumen.“ Stein freut sich.

Kann klappen

Die Idee, gegen Salomon anzutreten, sei bei ihr erst gereift, als man sie gefragt habe, erzählt sie. „Man kann ja nicht immer nur fordern, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen und dann selber kneifen.“ Anfangs sei sie vor allem angetreten, um soziale Themen in die Diskussion zu bringen. Aber in den letzten Wochen habe sie das Gefühl, sie werde Dieter Salomon wirklich gefährlich. Je länger der Wahlkampf dauert, desto häufiger beginnen ihre Sätze mit: „Wenn ich Oberbürgermeisterin bin.“ Selbstbewusst sagt sie: „Aus einem ,Das könnte klappen' ist inzwischen ein ,Es kann klappen‘ geworden.“

Monika Stein, OB-Kandidatin

Aus einem ,Das könnte klappen' ist inzwischen ein ,Es kann klappen‘ geworden

Die Ex-Grüne, die unter anderem von der Linkspartei unterstützt wird, fordert, dass die Eintrittspreise für Freibäder nicht steigen, der Freiburg-Pass für Bedürftige günstiger wird – kleinere Dinge, die bei armen Familien dennoch eine große Rolle spielen. Steins Hauptthema ist aber günstiger Wohnraum. Der ist knapp in Freiburg, wo jährlich etwa tausend Einwohner hinzukommen und in der ein selbstbewusstes, oft alternatives Bürgertum Hochhäuser und Verdichtung in ihren Vierteln gar nicht gerne sieht. Stein fordert eine Quote von 50 Prozent sozialen Wohnungen bei Neubauten.

Salomon hat das Thema in seiner Amtszeit erst spät erkannt. Und die Freiburger erinnern sich noch an das Jahr 2007. Damals wollte Salomon unterstützt von der CDU die städtische Wohnungsbaugesellschaft mit ihren Sozialwohnungen verkaufen, um die Kassen der hoch verschuldeten Stadt zu entlasten. Nur ein Bürgerentscheid verhinderte den Verkauf.

Arbeit an der Hauptschule

Auch Stein, damals noch Mitglied der Grünen-Fraktion, hatte sich nicht öffentlich gegen Salomons Pläne gestellt. Der Druck sei ungeheuer gewesen und linke Meinungen wie ihre seien im Grünen-Establish­ment, das die Ratsfraktion repräsentierte, nicht erwünscht gewesen, sagt sie heute. 2008 verließen Stein und ein weiteres Mitglied die Grünen-Fraktion und gründeten eine eigene Gruppierung, die Grüne Alternative Freiburg.

Die Alt-Grünen in Freiburg hätten den Bezug zur Realität verloren, sagt Stein. Das macht sie auch Salomon zum Vorwurf, der als Mittel gegen die Wohnungsnot den Bau von mehr Eigentumswohnungen empfiehlt. „Er kann sich gar nicht mehr vorstellen, dass es Menschen gibt, für die das gar keine Option ist“, sagt sie.

Die 48-Jährige arbeitet als Lehrerin an einer Werkrealschule, auch während des Wahlkampfs bereitet sie zwei Klassen für die Abschlussprüfung vor. Sie kennt die Nöte der Schüler und sitzt auch oft bei deren Eltern zu Hause. „Ich weiß, wie es in vielen Familien mit Hartz IV zugeht“, sagt sie.

Es ist kein verbissener Wahlkampf, dazu ist das soziale Klima in Freiburg allgemein zu milde. Und trotz Steins Vorgeschichte mit den Grünen: Salomon und sie verbindet so etwas wie professionelle Sympathie. Salomon lobt Stein immer wieder ungefragt in den Podiumsdiskussionen, sogar bei einer Unterstützerparty Steins tauchte Salomon überraschend auf, und kippte sogar tapfer ihren Wahlkampf-Drink. Der Name: „Salomons Albtraum“.

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