Mehr Gleichberechtigung in der Politik: Die Hälfte ist die Hälfte ist die Hälfte

Schleswig-Holsteins SPD-Fraktion diskutiert die Einführung eines Wahlrechts, das die Frauen gleich berechtigen soll. Die Idee ist verfassungsrechtlich umstritten.

Eine Torte mit grünem Farbstoff und Sonnenblumen aus Zuckerguss. Auf der Torte steht: "Die Hälfte vom Kuchen".

Messer holen und in der Mitte durchschneiden – wenn es nur immer so einfach wäre Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Hälfte der Macht für die Frauen – zumindest in den Parlamenten: Über dieses Ziel hat die SPD-Fraktion im Kieler Landtag eine Debatte angestoßen. Für Mittwochabend hatte sie die Kasseler Europarechtlerin Silke Ruth Laskowski zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Laskowski hat für das Aktionsbündnis Parité beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof geklagt, um sicherzustellen, dass in Zukunft gleich viele Männer und Frauen als Volksvertreter agieren.

Bei der jüngsten Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2017 gelangten mit 22 von 73 Abgeordneten prozentual deutlich weniger Frauen ins Parlament als bei den vier Wahlen davor. 51 Prozent Frauen in der Bevölkerung stehen damit 30 Prozent Frauen im Landtag gegenüber. Allerdings engagieren sich auch weniger Frauen in der schleswig-holsteinischen SPD: Sie stellen nur 35 Prozent der Mitglieder.

Laskowski hält den geringen Anteil von Mandatsträgerinnen dennoch für ein Unding und verfassungswidrig. „Ohne gleichberechtigte Parlamente gibt es keine gleichberechtigten Gesetze und keine gleichberechtigte Gesellschaft“, sagt die Professorin.

Mit der Einladung Laskowskis habe die Fraktion eine „intensive Beratung von Gleichberechtigung und demokratischer Mitbestimmung“ anstoßen wollen, erläutert der stellvertretende Fraktionssprecher Felix Deutschmann. Die Fraktion habe sich dabei für eine öffentliche Veranstaltung entschieden, um Input von außen zu bekommen.

Für Serpil Midyatli, die gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion, ist das Ziel klar: „Ich würde mir wünschen, dass die SPD vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf für ein paritätisches Wahlrecht für Schleswig-Holstein einbringt und der Weg damit für die nächste Landtagswahl frei wäre.“

Silke Ruth Laskowski, Juristin

„Ohne gleichberechtigte Parlamente gibt es keine gleichberechtigten Gesetze“

Vorbild für diese Initiativen ist Frankreich, das 1999 seine Verfassung ergänzt hat: Seither muss der gleiche Zugang von Männern und Frauen zu Wahlmandaten und -ämtern gesetzlich gefördert werden. Die Nationalversammlung hat das in das sogenannte „Paritégesetz“ gegossen. Es sieht eine alternierende Besetzung von Wahllisten und eine Fifty-Fifty-Auswahl von Direktkandidaten vor.

Auch die SPD hat vorgearbeitet: Die Landtagsfraktion ist mit zehn Frauen und elf Männern quasi quotiert. Laut Satzung müssen Ämter und Mandate zu jeweils mindestens 40 Prozent mit Männern und Frauen besetzt werden. Als Teil der Regierungskoalition hat die SPD in der vergangenen Legislaturperiode die landeseigenen Unternehmen verpflichtet, ihre Vorstände paritätisch zu besetzen.

Laskowski argumentiert bei ihrer Klage in Bayern, dass die Frauen aufgrund stark männlich geprägter Parteistrukturen strukturell geringere Chancen hätten, ins Parlament zu gelangen. „Dadurch bleiben weiblich sozialisierte gesellschaftspolitische Perspektiven, Prioritäten, Erfahrungen und Interessen unterrepräsentiert und ohne effektiven Einfluss“, schreibt sie.

Grundgesetz versus Verfassungsprinzipien

Die Juristin beruft sich auf das Gebot des Grundgesetzes in Artikel 3, die Gleichberechtigung tatsächlich durchzusetzen. Dem stehen aber eine Reihe weiterer Verfassungsprinzipien entgegen, wie der wissenschaftliche Dienst des Bundestages ausgeführt hat, etwa Gleichheit und Freiheit der Wahl sowie die Freiheit der Parteien, ihre Programme selbst zu bestimmen.

Für Sebastian Graf von Kielmannsegg, der Öffentliches Recht an der Uni Kiel lehrt, spricht „sowohl verfassungsrechtlich als auch verfassungs- und demokratiepolitisch fast alles gegen einen solchen Vorschlag“: Die Freiheit, sich aktiv an der Politik zu beteiligen, sei für eine Demokratie grundlegend. Sie aus einem anderen Grunde als der Verfassungsfeindlichkeit eines Kandidaten einzuschränken, beschädige sie schwer.

Kielmannsegg fragt: „Wenn man mit Quotierungen anfängt, wo soll man aufhören?“ Warum sollte gerade das Geschlecht die entscheidende Größe sein und nicht die Sprache, Herkunft, die Zugehörigkeit zu einer Minderheit, das Alter oder die sexuelle Orientierung?

Überzeugungskraft als Auswahlkriterium

„Der demokratische Prozess der Auswahl von Repräsentanten lebt von den Antworten und Haltungen zu den politischen Herausforderungen, über die sie entscheiden sollen“, sagt der Jurist. Er rechtfertige sich als Meinungsstreit auf der Basis von Sachargumenten um Lösungen für die Gesamtheit der Bürger. Auswahlkriterium müsse die Überzeugungskraft eines Kandidaten sein, nicht dessen Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

Zeitgleich zu den Bestrebungen der SPD in Schleswig-Holstein hat Mecklenburg-Vorpommerns Linke im Schweriner Landtag eine Bundesratsinitiative für eine Wahlrechts- und gegebenenfalls sogar eine Grundgesetzänderung beantragt.

Am Donnerstag demonstrierten in Schwerin vor dem Schloss Initiativen für die Forderung „Frauen in die Parlamente“. Vergeblich: Die Mehrheit der Landtagsabgeordneten lehnte den Antrag der Linken ab, die Wahlgesetze im Sinne einer geschlechterparitätischen Besetzung zu verändern. Immerhin: Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) will das Thema auf der Gleichstellungsministerkonferenz der Länder im Mai ansprechen.

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