Proteste in der Slowakei: Wut und Misstrauen

Zehntausende demonstrieren in Bratislava nach dem Journalistenmord gegen Regierungschef Róbert Fico. Der sieht sich als Opfer einer Kampagne.

Demonstration gegen die Regierung am vergangenen Freitag in Bratislava

Demonstration gegen die Regierung am vergangenen Freitag in Bratislava Foto: reuters

PRAG taz | Es war die größte Demonstration in der Geschichte des slowakischen Staates, der Anfang des Jahres 25 Jahre alt wurde. Bis zu 50.000 Demonstranten protestierten am vergangenen Freitag in der slowakischen Hauptstadt Bratislava gegen die Regierung von Ministerpräsident Róbert Fico.

Mit Transparenten wie „Abtreten, abtreten!“ und Rufen wie „Fico muss weg“, brachten sie ihren Unmut gegenüber der Regierung und ihrem Chef zum Ausdruck. Auch in anderen Städten zwischen Donau und Hoher Tatra waren Tausende auf der Straße.

Die Proteste gehen schon in die zweite Woche. Ihr Auslöser ist der kaltblütige Mord an dem jungen Journalisten Ján Kuciak und seiner Partnerin Martina Kušnírova Ende Februar. Zur Trauer über den vollkommen überflüssigen und brutalen Tod eines jungen Paares kommt die Wut. Und die gilt vor allem Robert Fico.

Hat Fico den Mördern nicht den Weg geebnet, als er Journalisten öffentlich als „dreckige, anti-slowakische Prostituierte“ beschimpfte und als „Schlangen“ und „Hyänen“ entmenschlichte?, fragen sich viele Slowaken?

Opfer einer Kampagne

Róbert Fico stilisiert sich zum Opfer einer Kampagne der Opposition. Solange kein Mörder gefasst sei, kein Mordmotiv feststehe, werde er auch keine Verantwortung übernehmen, sagt er trotzig. Geflissentlich sieht er dabei aber über die ganzen Fragen hinweg, die der Mord an Ján Kuciak aufgeworfen hat.

Wie genau ist das Verhältnis zwischen Polizeipräsident Tibor Gašpar und dem Oligarchen Miroslav Bösnör, der eng mit Ficos Partei Smer verbandelt sein soll? Warum besichtigte ausgerechnet der Chef der Anti-Korruptionspolizei den Tatort? Wer steckt hinter der geheimnisvollen Justizmafia? An welchen Themen hat Ján Kuciak noch gearbeitet?

Die Proteste in der Slowakei sind Demonstrationen des Misstrauens. Die Slowaken trauen ihren Behörden eher zu, den Mord zu vertuschen, als ihn aufzuklären. Selbst Präsident Andrej Kiska hat erklärt, er würde eine Regierungsumbildung oder Neuwahlen bevorzugen. Fico weigert sich zurückzutreten. Er sei durch demokratische Wahlen legitimiert, entgegnet er Kritikern.

Was auch immer, falls überhaupt, Kuciaks Mord vertuschen sollte, er hat den Fokus auf einen Umstand gelenkt: Ficos Nähe zum organisierten Verbrechen.

„Höchste Staatsrätin“

Pikanterweise wird die symbolisiert von Ficos Beraterin Marie Troškova. Ficos Chefberaterin hat es mit nur 30 Jahren vom Nacktmodell zum Dienstgrad einer „Höchsten Staatsrätin“ geschafft.

Die dunkelhaarige Schönheit gilt als Ex-Geliebte des angeblichen Mafioso Antonino Vadala, der in Zusammenhang mit dem Mord an Kuciak verhört wurde. Über ihre Bekanntschaft zu Ex-Wirtschaftsminister Pavol Rusko und dem Sekretär des staatlichen Sicherheitsrates, Viliam Jasaň, ist Trošková bei Fico gelandet.

Inzwischen sind sowohl Trošková als auch Jasaň von ihren Posten zurückgetreten. Ficos Legitimität wird das kaum wiederherstellen. Vor allem nicht, wenn Spekulationen, Trošková sei Ficos Geliebte, aus höchsten Quellen weiter befeuert werden.

Vergangene Woche beschrieb der frühere Diplomat Ondrej Gažovič den slowakischen Medien den Moment, als er sich bei einem Staatsbesuch in Deutschland fremd geschämt habe. Fico wollte seine Assistentin Trošková unbedingt dabei haben.

Eigentlich nackt

„Es ist nicht angenehm, wenn die deutschen Kollegen zu verstehen geben, dass sie ein Problem mit der Zusammensetzung ihrer Delegation haben. Noch schlimmer ist es, wenn sie wissen, dass sie recht haben“, beschrieb er.

Wenn schon ehemalige Staatsdiener so aus dem Nähkästchen plaudern, kann es mit der Legitimität des Regierungschefs nicht mehr weit her sein. Doch obwohl es ihm in den vergangenen Tagen Zehntausende ins Gesicht schrien, hat Róbert Fico noch immer nicht begriffen, wie nackt er eigentlich ist.

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