Grünen-Landeschefin gibt sich kämpferisch: „Natürlich eckt man an“

Anne Kura ist die neue Chefin der Grünen in Niedersachsen. Sie will die Partei wieder kämpferischer machen und mehr diskutieren – auch mit Stromriesen.

Anne Kura beim Landesparteitag der Grünen Niedersachse: Sie ist die neue Landeschefin Foto: dpa

taz: Frau Kura, warum sind Ihnen die Grünen zu kuschelig?

Anne Kura: Also, ich finde kuscheln gar nicht schlecht, aber in der Politik überzeugt man mit klaren Botschaften und Ideen – und eckt natürlich auch mal an.

Senden die Grünen in Niedersachsen zu wenig klare Botschaften?

Das war in Regierungszeiten natürlich etwas schwieriger. Das, was öffentlich wahrgenommen wurde, waren Kompromisse mit der SPD. Die grünen Positionen, mit denen wir in diese Kompromisse gegangen sind, waren nicht sichtbar genug, sodass wir nicht mehr genug Profil hatten. Zum Ende haben wir das besser gemacht, zum Beispiel beim Wassergesetz.

33, wurde im März beim Parteitag in Oldenburg zur Chefin der Grünen in Niedersachsen gewählt. Mit Stefan Körner bildet die Osnabrückerin eine Doppelspitze.

Inwiefern?

Wir Grünen wollten breitere Gewässerrandstreifen, in denen die Landwirtschaft zum Beispiel nicht düngen darf, um die Nährstoffeinträge in die Gewässer zu reduzieren. Aber die SPD wollte das nicht. Am Ende gab es einen Kompromiss, der deutlich unter dem lag, was wir eigentlich für richtig gehalten hätten.

Hätten Sie es dann nicht lieber lassen sollen?

Etwas zu machen war trotzdem besser als alles zu lassen, wie es ist. Auch wenn das Wassergesetz am Ende wegen der vorgezogenen Neuwahl gar nicht mehr gekommen ist.

Ist die Partei schon in der Opposition angekommen?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben die 100-Tage-Bilanz der neuen Regierungskoalition stark kritisiert, auch unseren ehemaligen Koalitionspartner. Spätestens jetzt wird deutlich, dass wir Grünen die progressive Kraft der Regierung waren. Themen wie der Klimaschutz fallen jetzt hinten runter.

Wie wollen Sie die Grünen kämpferischer machen?

In dem wir wieder mehr debattieren. Das haben wir auf dem letzten Parteitag schon ganz gut hinbekommen. Da haben wir zum Beispiel beim Thema Digitalisierung sehr offen diskutiert. Die Arbeitswelt wird sich stark verändern. Wir haben deshalb darüber gesprochen, wie sich die sozialen Sicherungssysteme verändern müssen – zum Beispiel mit Modellen der Grundsicherung oder dem bedingungslosen Grundeinkommen.

Sind die Grünen dafür?

Das haben wir noch nicht ausdiskutiert.

Was wollen Sie anders machen als Ihre Vorgängerin Meta Janssen-Kucz?

Wir gehören unterschiedlichen Generationen an und sind auch andere Typen. Außerdem sind wir in der Opposition jetzt in einer neuen Rolle: Mir ist wichtig, dass wir unsere Themen stärker regional ausrichten und uns besser vernetzen. Bei Fragen, bei denen wir noch keine abschließende Meinung haben, sollten wir uns noch mehr Zeit nehmen, inhaltlich kontrovers zu diskutieren – auch mit anderen. Wir müssen dahin gehen, wo es uns weh tut, und auch mit Energieunternehmen und Autokonzernen das Gespräch suchen.

Warum haben Sie sich für den Posten beworben?

Weil ich große Lust habe, mehr in der Landespolitik zu machen. Gerade gibt es eine große Dynamik in der Partei. Wir haben sehr viele Neueintritte.

Sind 350 neue Mitglieder viel?

Es geht insgesamt auf die 7.000 zu. So viele Mitglieder hatten wir noch nie. Und die Leute werden aktiver. Das ist der Aufbruch, den ich merke. Und den möchte ich fördern.

Sie wurden schon häufiger für Posten und Listenplätze gehandelt. Warum haben Sie bisher immer abgelehnt?

Es war für mich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt. Es ist gut, sich selbst die Zeit zu nehmen, um die eigenen Positionen zu klären.

Als Landtagsabgeordnete hätten Sie größere Möglichkeiten, die Politik mitzubestimmen.

Mir liegt die Arbeit in der Partei sehr am Herzen. Ich mag es gern, mit den unterschiedlichen Leuten aus den Kreisverbänden eng zusammenzuarbeiten.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Für mich war es immer selbstverständlich, sich vor Ort einzubringen. Schon als Kind war mir besonders der Naturschutz wichtig. In den Wiesen neben dem Fluss, in denen ich als Kind immer mit Freundinnen gespielt habe, sollte eine Straße gebaut werden. Für die Demo dagegen habe ich mein erstes Transparent gemalt, mit gelben Enten.

Wann haben Sie bei den Grünen angefangen?

Als ich zum Studieren nach Osnabrück gegangen bin, habe ich dort die grüne Hochschulgruppe mitgegründet. Das war zur Zeit der Studiengebührenproteste. Dann kam der Landtagswahlkampf 2007/2008 und ich bin in den grünen Stadtverband eingetreten, um den Wahlkampf zu unterstützen.

Welches Thema bewegt Sie? Die Schnittstelle zwischen Ökologie und Gerechtigkeit. Man kann das eine nicht ohne das andere betrachten. Zum Beispiel saubere Luft und Lärm: Menschen, die es sich nicht leisten können, in einer ruhigen Seitenstraße zu wohnen oder in ein Wochenendhaus zu fahren, müssen oft an den besonders belasteten Hauptstraßen leben. Falls es zu Fahrverboten käme, sind das aber auch genau die, die sich nicht sofort ein neues emissionsarmes Auto leisten können.

Was müsste sich ändern?

Die schlechte Luft trifft die Schwächsten. Kinder, Kranke und alte Menschen sind besonders anfällig. Softwareupdates und Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Hersteller können da nur der erste Schritt sein. Wir brauchen eine grundsätzliche Mobilitätswende, indem wir die Alternativen gegenüber dem Autoverkehr stärken. Natürlich ist diese Position unangenehm, weil die Leute das Gefühl bekommen, dass man ihnen etwas wegnimmt. Aber genau das meine ich mit anecken und klaren Botschaften: Gerecht ist nur, wenn alle saubere Luft haben.

Fahren Sie Auto?

Ich habe kein Auto, fahre viel Rad und benutze öffentliche Verkehrsmittel. Das geht gut, weil ich in einer Stadt wohne, in der sie gut ausgebaut sind.

Was machen Sie noch, um die Umwelt zu schonen?

Mein Smartphone hat einen herausnehmbaren Akku. Bei Elektrogeräten ist es wichtig, dass sie repariert werden können, um Ressourcen zu sparen. Diese Frage sollte aber nicht auf VerbraucherInnen abgewälzt werden. Ich setze mich für gesetzliche Standards ein, damit Umweltschutz keine Frage des Lebensstils ist.

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