„Arisierungs“-Profiteur Kühne+Nagel: Neuer Ort fürs Mahnmal

Der Entwurf des „Arisierungs“-Mahnmals an der Bremer Flaniermeile Schlachte ist fertig. Noch aber hakt es an der behördlichen Umsetzung.

Entwurf des "Arisierungs"-Mahnmals mit breiter Treppe

Mehr Planung nötig: Entwurf des Mahnmals am neuen Ort Foto: Angie Oettingshausen

BREMEN taz | Für das von der taz initiierte „Arisierungs“-Mahnmal liegt nun ein Entwurf vor, der dessen Gestaltung an der Bremer Schlachte zeigt – der Flaniermeile am Weserufer. Die Überarbeitung war nötig geworden, da der eigentlich angepeilte Standort rund 300 Meter flussaufwärts, am Fuß des Logistik-Konzerns Kühne+Nagel, politisch nicht durchsetzbar war. Kühne+Nagel war maßgeblich am Abtransport des Besitzes der aus Westeuropa deportierten Jüd*innen beteiligt.

Der Entwurf von Angie Oettingshausen besteht aus zwei Sichtschächten, die sich rechtwinklig treffen. Sie bilden einen komplett leeren Raum, in dem ehemals Möbel standen. Deren Schattenrisse an der Wand verweisen auf die letzten Lebensspuren der Verfolgten – und zugleich auf die Totalität der „Verwertung“ ihres Besitzes.

Das Mahnmal sei „ein Gewinn für die Stadt“, so Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz bei der Vorstellung des Entwurfs in der Kulturdeputation. Allerdings ist noch immer ungewiss, wann es realisiert wird. Nach aufwändigen Abstimmungsverfahren mit Deich-, Denkmalschutz und Baubehörde hing die Planung zuletzt an einem fehlenden statischen Gutachten. Nach geharnischter Kritik von Linkspartei und Grünen wurde es vom Kulturressort jetzt jedoch in Auftrag gegeben. Als neuen Zeithorizont für die schon mehrfach verschobene Kosten- und Bauplanung nennt Emigholz nun „Sommer 2018“.

Bis dahin bleibt offen, wie teuer das Mahnmal tatsächlich wird. Klar ist nur, dass die Vermeidung des Standorts Kühne+Nagel einen sehr erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeutet. Laut Beschluss der Bremer Bürgerschaft sollen die Mittel zu je einem Drittel vom Staat, Firmen und Privatleuten erbracht werden. Emigholz erklärte vor der Kulturdeputation: „Die Geschäftsleitung von Kühne + Nagel hat mir eine feste Zusage gegeben, dass sich die Firma an der Finanzierung des Mahnmals beteiligt.“

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2015 bis 2022: Von der taz-Kampagne „4 Qm Wahrheit“ bis zum Bau des Arisierungsmahnmal in Bremen

Kühne+Nagel: Das Logistikunternehmen Kühne+Nagel (K+N) feiert 2015 auf dem Bremer Marktplatz sein 125-jähriges Jubiläum und stellt dabei die Firmengeschichte zur Schau. Die taz recherchiert die fehlenden Fakten, u.a. die maßgebliche Beteiligung der Firma am Abtransport der Wohnungseinrichtungen der deportierten jüdischen Bevölkerung in ganz Westeuropa.

Crowdfunding: Unter dem Motto „4 Qm Wahrheit“ werden 27.003 Euro für den Kauf von 4 Quadratmeter Boden auf dem Platz gesammelt, auf dem K+N in Bremen seinen Neubau errichten will – als Standort für ein Mahnmal.

Kaufangebot: Die taz bietet der Stadt Bremen den doppelten Quadratmeterpreis wie K+N. Das Angebot wird abgelehnt, involviert aber Finanz- und Bauausschuss in die Thematik.

Gestaltungs-Wettbewerb: Die taz sammelt Ideen, wie „die Totalität der,Verwertung' jüdischen Eigentums in Gestalt eines Mahnmals visualisiert werden könnte. Unter den 60 Teilnehmenden des Gestaltungs-Wettbewerbs aus ganz Deutschland und Österreich sind sowohl bekannte Künst­le­r:in­nen als auch Schulklassen. Der Wettbewerb löst zahlreiche familienbiographische Nachfragen und Auseinandersetzung aus. Der Entwurf von Evin Oettingshausen kommt auf Platz 1.

Die taz veranstaltet am 3. November 2016 ein Symposium in der Bremischen Bürgerschaft: „Arisierung“ – über den Umgang mit dem Unrechts-Erbe.

Alle Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft beschließen im November 2016 den Bau des Mahnmals.

Langes Ringen um den „richtigen“ Standort in Bremen: Soll das Mahnmal bei Kühne+Nagel, am Europahafen, an der Jugendherberge oder irgendwo dazwischen verortet werden?

Dynamik: Parallel zum politischen Prozess entstehen, ausgelöst von der Kampagne „4 qm Wahrheit“, künstlerische Aktionen, temporäre Mahnmale, Masterarbeiten, internationale Ausstellungsbeiträge, Radioreportagen und Regionalromane.

Ergebnis: Am 1. Februar 2022 beschließt der Bremer Senat den Bau des Mahnmals – zwischen Kaisenbrücke und den Bremer Weserarkaden, schräg unterhalb des Firmengebäudes von Kühne+Nagel.

Eröffnung: Am 10. September 2023 wurde das „Arisierungs“-Mahnmal eröffnet. Begleitinformationen finden sich auf der Webseite: geraubt.de

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