Bahn sind Obdachlose egal

In Hannover soll eine Eisenbahnbrücke abgerissen werden. Was mit den Obdachlosen wird, die darunter schlafen, interessiert nur Die Linke. Der Projektmanager der Bahn verweist auf „Eigeninitiative“

Von Andrea Scharpen

Für Hannovers Innenstadt ist es ein Mega-Bauprojekt: Straßen müssen gesperrt, der Verkehr umgeleitet werden. Die Deutsche Bahn will nahe des Bahnhofs eine Eisenbahnbrücke abreißen und neu bauen. Weil die Gewölbekonstruktion von 1880 unter Denkmalschutz steht, ist das alles nicht so einfach. Jeder Stein der Fassade muss später wieder aufgebaut werden – Details, Details. In der vergangenen Woche informierte die Bahn ausführlich den Bauausschuss des Stadtrates. Nur eine Information fehlte dem Linken-Ratsherrn Dirk Machentanz: Was passiert eigentlich mit den Obdachlosen, die unter der ­Brücke schlafen?

„Darauf hat überhaupt keiner wirklich reagiert“, sagt Machentanz. Der Projektmanager der Bahn habe nur ein Wort gesagt: „Eigeninitiative.“ Eine Sprecherin der Stadt bestätigte dies der taz. „Das war kurz, kühl und menschenverachtend“, findet der Linke. Er kritisiert, dass die Obdachlosen von der Bahn nicht gesehen und einbezogen würden. „Man müsste mit denen sprechen und schauen, ob man eine andere Lösung für sie findet – oder sie zumindest informieren. „Sie werden ja nicht die Drucksache gelesen haben.“

Unter der Brücke an der Königsstraße liegt noch ein graugrüner Schlafsack. An einem Kabel an der gemauerten Wand hängt ein Kleiderbügel. Die Spuren der Obdachlosen, die hier schlafen, sind am nächsten Tag noch sichtbar. Manchmal sucht hier in der Nacht nur ein Mensch Schutz, manchmal mehr.

Die Stadt Hannover sieht keinen Grund, die betroffenen Wohnungslosen gezielt zu informieren: „Das braucht man nicht. Das Schlafen im öffentlichen Raum ist ohnehin nicht erlaubt“, sagt eine Sprecherin.

Die Deutsche Bahn verweist auf ihr Engagement beim Thema Wohnungslosigkeit. „Wir setzen uns für Menschen in Notlagen ein, indem wir Projekte unterstützen, die ihnen dabei helfen, eine Lebensgrundlage zu erhalten“, sagt Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis. „Mit einer Wanderausstellung machen wir auf das Thema Obdachlosigkeit aufmerksam.“ Wohnungslosigkeit sei jedoch ein gesellschaftliches Problem, das die Bahn als Verkehrsunternehmen nicht lösen könne, sagt Meyer-Lovis. Für die Menschen, die unter der Brücke Zuflucht suchen, gebe es in Hannover Hilfsangebote.

Laut Norbert Herschel von der Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Hannover leben in der Region rund 400 Obdachlose. „Der eigentliche Skandal ist nicht die Brücke an der Königsstraße“, sagt er, „sondern, dass der Wohnungsmarkt so zu ist und die Leute keine Perspektive haben.“ Es sei sicher, dass die Leute zurück kämen, wenn eine neue Brücke da sei.

Die erste Bauphase des 18-Millionen-Euro-Projekts beginnt im April. 2019 soll alles fertig sein.