Mobilitätsexperte über E-Auto-Bauer Tesla: „Ein visionäres Versprechen“

Tesla-Aktien steigen, obwohl der Konzern Riesenverluste eingefahren hat. Stefan Bratzel über den Hype und über die Zukunft des kalifornischen Unternehmens.

Ein Auto steht an einer Ladestation

Tesla an einer Ladestation bei London Foto: reuters

taz: Herr Bratzel, der US-Elektro­autobauer Tesla hat im vergangenen Quartal 675 Millio­nen US-Dollar Minus gemacht – so viel wie nie zuvor. Trotzdem stieg der Aktienkurs erneut um 2 Prozent. Sind die Anleger wahnsinnig?

Stefan Bratzel: Sie sehen in Tesla ein visionäres Versprechen. Der Konzern hat Elektromobilität als Thema der Zukunft auf die Agenda gesetzt. Vor Tesla wollte kein Mensch ein Elektroauto – das war ungefähr so attraktiv wie ein paar Krankenhauskrücken. Mit den Elektro-Limousinen und -SUVs des Konzerns hat sich das geändert. Für die Anleger ist es im Moment noch zweitrangig, ob Gewinne erwirtschaftet werden.

Wie lange kann Tesla noch von diesem Image profitieren?

Irgendwann muss auch der Konzern schwarze Zahlen schrei­ben, sonst verlieren die Anleger das Vertrauen. Entscheidend wird sein, ob es Tesla gelingt, das Mittelklasseauto „Modell 3“ auf den Markt zu bringen. Wenn das scheitert, wird es auch für Tesla eng.

Warum ist das neue Modell so wichtig?

Bisher hat der US-Konzern vor allem Wagen für eine kleine Luxusnische gebaut. Das „Modell 3“ wäre mit einem Preis von 35.000 US-Dollar der erste massentaugliche Tesla. Damit ließen sich hohe Fahrzeugverkäufe realisieren und auch Geld verdienen, wenn man es richtig macht. Konzernchef Musk hat angekündigt, dass bis Ende Juni 5.000 Modelle pro Woche vom Band laufen sollen.

ist Mobilitätsforscher und leitet das „Center of Automotive Management“.

Der hat schon viel angekündigt – und nicht gehalten. Worin liegt Teslas Problem?

Bisher hat der Konzern Wagen in kleiner Stückzahl gebaut. Noch tut er sich mit der Umstellung auf die Massenproduktion schwer. Entscheidend ist dabei, dass viele Wagen in kurzer Zeit vom Band laufen – und zwar ohne dass hinterher nochmal Hand angelegt werden muss. Das kriegt Tesla nicht hin, auch weil die Zulieferung von Teilen noch nicht reibungslos funk­tio­niert. Eine hohe Produktions­kapazität ist einfach nicht in der DNA des Unternehmens.

Warum sollte sich das ändern?

Ich gehe davon aus, dass sich Musk jetzt Hilfe von außen eingekauft hat. Mit der 5.000er Marke hat er die Messlatte mal wieder ziemlich hoch gesetzt, aber spätestens in der zweiten Jahreshälfte wird er sein Versprechen einlösen.

Wird das den Automarkt umwälzen?

Nicht unbedingt. Eher wird der Wind für Tesla rauer. Vor allem die billigen Elektroautos aus China bedienen einen Markt, der auch für den US-Konzern interessant ist.

Wie sind die deutschen Autobauer aufgestellt?

Nach dem Abgasskandal vor gut zwei Jahren sind auch die deutschen Hersteller auf das Thema wirklich aufgesprungen – inzwischen werden bei VW, BMW und Mercedes Milliarden in Elektromobilität investiert. Das war zwar spät, aber nicht zu spät. Und: Im Gegensatz zu Tesla wissen die Deutschen, wie man in kurzer Zeit viele Autos produziert.

Am Tag vor den Verlusten ließ Musk mit seiner Raumfahrtfirma SpaceX einen Tesla ins All schießen. Was soll der PR-Klamauk?

Ich würde es eher eine geniale Marketingstrategie nennen. Musk bedient damit das Image des visionären Vordenkers. Auf die Anleger macht das Eindruck. Wenn die Rakete abgestürzt wäre, hätte es aber auch mächtig nach hinten losgehen können.

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