Kommentar Koalitionsdilemma der SPD: Den Lindner geben

Eine Abstimmung über die Koalitionsverhandlungen ist riskant: Beim Scheitern müsste wohl der ganze Vorstand gehen. Also besser selbst abbrechen?

Martin Schulz und Andrea Nahles halten lachend Abstimmungskarten in die Luft

Abstimmen kann auch Spaß machen! Foto: dpa

Der SPD-Vorstand hat sich seit der Bundestagswahl nicht immer rational verhalten. Aber ist es wirklich vorstellbar, dass er eine Abstimmung der Parteimitglieder über einen Koalitionsvertrag mit der Union zulässt? Das wäre russisches Roulette – mit vielen Patronen in der Trommel. Denn den Ausgang einer solchen Abstimmung kann niemand vorhersehen.

Es macht Spaß, Sand ins Getriebe zu streuen. Zweimal – beim Brexit und bei der Wahl von Donald Trump – haben in jüngerer Zeit scheinbar Ohnmächtige erfahren, dass sie dem soge­nannten Establishment die Rote Karte zeigen können. Solche Erfahrungen wecken Appetit, zumal dann, wenn der Ärger über die eigene Partei­führung groß ist. Was derzeit bei der SPD der Fall ist.

Geredet wird derzeit vor allem darüber, dass die politische Karriere von Martin Schulz vorbei ist, wenn die Basis seiner Partei einen Koalitionsvertrag ablehnt. Das ist allzu kurz gesprungen. Der gesamte SPD-Vorstand wäre blamiert und müsste zurücktreten.

Kevin for President?

Tolle Voraussetzungen für Neuwahlen. Kevin for President? Bei allem Respekt vor dem Juso-Vorsitzenden: Diese Rolle käme für Kevin Kühnert denn doch zu früh.

Der einzige Ausweg aus dieser selbst verschuldeten Zwickmühle ist für die SPD der Abbruch der Koalitionsverhandlungen. Mit möglichst allgemein gehaltenen Begründungen, aber im Zusammenhang mit einer sozialen Frage, die für die Stammwählerschaft wichtig ist. Pflege, Arbeitsrecht, Gesundheit, Rente. Die Auswahl ist groß.

Das sind reine Gedankenspiele, zugegeben. Aber kann irgendjemand glauben, dass solche Überlegungen im SPD-Vorstand nicht angestellt werden? Nein, eine Wette sollte man in einem Kommentar nicht anbieten. Das könnte teuer werden.

Aber, um es salopp zu sagen: Wenn man der SPD-Spitze weiterhin Vernunft unterstellen will, dann muss sie den Lindner geben. Sich also wie der FDP-Vorsitzende aus unbestimmten Motiven heraus, aber dafür umso entschlossener vom Acker machen.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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