Schweigegelübde der Groko-Sondierer: Vom Geheimnis, nichts zu sagen

Anders als die Jamaika-Sondierungen sollen die Regierungsgespräche von Union und SPD so diskret wie möglich verlaufen.

Martin Schulz eilenden Schrittes

Husch husch, schnell ins Konrad-Adenauer-Haus und nichts sagen. Hier eilt Martin Schulz (SPD) Foto: dpa

BERLIN taz | Acht Meter müssen die Sondierer durchhalten. Acht Meter zwischen dem Straßenrand, wo die Verhandler bei drei Grad unter null aus ihren Dienstwagen steigen, und der Schiebetür ins Konrad-Adenauer-Haus, wo um 9 Uhr die nächste Runde der Regierungsgespräche beginnt. Links des Weges locken Kameras, man könnte stehenbleiben, losplappern und käme direkt in die Nachrichten. Geht aber nicht. Die Sondierer müssen sich zusammenreißen. Das Interviewverbot gilt.

Die Order kommt von den Parteispitzen. Als Lehre aus den Jamaika-Sondierungen sollen dieses Mal nur die Generalsekretäre abendliche Zwischenstände durchgeben. Sonst darf bis zum Ende der Gespräche kein Wort nach draußen dringen. Nur: Wie schafft ein Politiker das, fünf Tage lang schweigen, vorbei an all den Kameras?

Der Profi gibt den Grüßaugust. So wie Entwicklungsminister Gerd Müller: Raus aus dem Wagen, „Guten Morgen!“, drei Meter vor, „Hallo!“, noch drei Meter, „Guten Tag!“. Dann gleitet die Schiebetür auf und der Minister ist weg. Geschafft.

Wer nicht direkt losgrüßt, bekommt ein Problem. Nach den ersten Metern beginnen die Journalisten nämlich, ihre Fragen zu rufen. Der Sondierer muss sich dann konzentrieren, schnell parieren, aber bloß nicht abbremsen. Sonst steht er in der Falle. „Herr Spahn, geht’s voran?“ – „Immer!“, ruft Jens Spahn und schleppt sich ins Ziel. „Frau Bär, wie läuft’s?“ – „Sehr gut, sehr konstruktiv!“, ruft Dorothee Bär und verschwindet. „Herr Dobrindt, was erwarten Sie heute?“ – „Guten Morgen!“, ruft Alexander Dobrindt, und dann schafft es sogar er einmal, nichts weiter zu sagen.

Nur einer versagt: Der Ministerpräsident aus Sachsen

Ein Krankenwagen der Malteser stoppt, der Fahrer blinkt und lenkt den Wagen auf den Hof. Guter Trick, im Fond saß vermutlich Horst Seehofer. Volker Kauder verlässt kurz die CDU-Zentrale, spricht sieben Sätze in die Kameras, sagt aber nichts. Manuela Schwesig nutzt den Moment und huscht an Kauder vorbei durch die Schiebetür ins Haus – sehr geschickt. Hermann Gröhe erscheint 16 Minuten zu spät. Die Journalisten entdecken ihn erst nach fünf Metern. „Herr Gröhe, was steht heute an?“, ruft einer noch, aber da ist Herr Gröhe schon weg. Auch nicht schlecht.

Nur einer versagt. Michael Kretschmer, neuer Ministerpräsident aus Sachsen, bekommt nach drei Metern einen Linksdrall, driftet dann immer weiter ab und kommt erst eine Armlänge vor den Kameras zum Stehen. „Wir reden sehr viel übers Geldausgeben. Ich finde aber, Politik besteht nicht darin, möglichst viel Steuergeld auszugeben“, sagt der CDU-Newcomer, der in einer Arbeitsgruppe zum Thema Forschung mitsondiert.

Zwei Minuten redet er übers Sparen, erst dann kann er sich lösen und sich doch noch in die Parteizentrale schleppen. Aber da ist es schon spät. Nach einer halben Stunde läuft sein Statement bei der dpa über den Ticker. „Streit ums Geld in Sondierung“, schreibt die Agentur. Das schöne Schweigegelübde: nach nur einem Tag ramponiert.

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