Kommentar GroKo-Sondierung: Doppeltes Spiel

Wenn es eine neue Große Koalition gibt, wird sie farb- und ideenlos sein: Die Spielräume sind eng. Union und SPD sind angeschlagen.

Verhandlungsteilnehmer laufen am 07.01.2018 beim Start der Sondierungsgespräche zwischen SPD, CDU und CSU im Willy-Brandt-Haus in Berlin durch einen Gang, dessen Scheiben mit Folie abgeklebt sind.

Keine Interviews, keine Balkonfotos: TeilnehmerInnen der Sondierungsgespräche am Sonntag im Willy-Brandt-Haus in Berlin Foto: dpa

SPD und Union wirken am Beginn der Sondierungen fast auffällig optimistisch. Man gibt sich diszipliniert, gar geläutert nach dem Jamaika- Spektakel, und will sogar vier endlose Tage lang keine Interviews geben. Das soll souverän und professionell wirken. Aber es überblendet, dass diese Koalition, wenn sie gelingt, eine der Halbherzigkeit sein wird. Die Kompromisse werden aus Not, nicht aus Überzeugung gezimmert.

2013 war das anders: Die SPD strebte ideenreich wieder in die Regierung, Merkel, auf dem Gipfel ihrer Macht, konnte den Genossen mühelos entgegenkommen. Das Programm der letzten GroKo war sozialdemokratisch – das der neuen wird wohl blass, farblos, ausgewaschen.

Denn die politischen Spielräume sind eng, trotz des Haushaltsüberschusses. Die Kompromisslinien, die sich in den Schlüsselfragen Europa, Steuern und Rente vage abzeichnen, sind dünn. Die nach rechts Signale aussendende Union kann es sich nicht leisten, der SPD eine weitblickende, notwendige Reform wie die Bürgerversicherung zuzugestehen. Auch das überfällige Ende des Bund-Länder-Kooperationsverbots wird es mit dieser Regierung nicht geben. Der SPD fehlt es für große Würfe an Kraft, der inhaltlich leer drehenden, verunsicherten Union an Mut und Ideen.

Was ist von dieser Koalition also realistisch zu erwarten? Ein bisschen bessere Pflege, ein paar Steuersenkungen für Normalverdiener, eine EU-Politik, die vor allem den Schäuble-Kurs fortsetzt, eine etwas fairere Finanzierung des Gesundheitssystems. Mehr nicht. Denn hier verbinden sich drei Angeschlagene. Das Szenario von 2013, als die Union der SPD großenteils das Feld überließ, wird sich nicht wiederholen.

Das Szenario von 2013, als die Union der SPD großenteils das Feld überließ, wird sich nicht wiederholen

Die Beteuerungen, dass man ernsthaft und seriös verhandelt, sind schon genau so gemeint – seriös. Aber auch da gibt es doppelte Rechnungen. Union und SPD erkunden nicht nur die schütteren Grundlagen für weitere vier Jahre Regierung – sie wappnen sich auch schon für das blame game, das beginnt, wenn es mit der Regierung doch nichts wird. Vor allem die von der Union geäußerte freudige Erwartung, dass man mit der SPD nun schnell eine Regierung der Sachpolitik bilden wird, hat den hässlichen Oberton eines vergifteten Kompliments: falls nicht, dann war die SPD Schuld.

Auch Merkel und die Union werden im Falle des Scheiterns in die Bredouille kommen. Die SPD aber wird vor einem Trümmerhaufen stehen. Martin Schulz, der die Partei erst auf ein unbedingtes Nein fixierte, das über Nacht zum verdrucksten Ja wurde, wird noch eine Rolle rückwärts wohl nicht überstehen.

Wenn es diese Regierung gibt, dann nicht, weil Überzeugungen zu etwas sinnvollem Neuen zusammengefügt werden. Es wird eine Regierung des Krisenmanagements, geboren aus einer Zwangslage. Es wird sie geben, weil nichts anderes übrig blieb.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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