Kommentar Neue Parteichefs der AfD: Die Macht der Völkischen

Auf dem AfD-Parteitag hat die völkisch-nationalistische Strömung gewonnen. Mit Meuthen und Gauland hat das Höcke-Lager ihre Leute durchgesetzt.

Die später zu den neuen AfD-Bundesvorsitzenden gewählten Jörg Meuthen (r) und Alexander Gauland sitzen am 02.12.2017 beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland im HCC Hannover Congress Centrum in Hannover (Niedersachsen).

Doppelspitze: Jörg Meuthen (r.) und Alexander Gauland (l.) Foto: dpa

Einen Showdown werde es nicht geben, hatte Parteichef Jörg Meuthen am Samstagfrüh zur Eröffnung des AfD-Bundesparteitags versprochen. Doch Meuthen hat sich getäuscht. Der in der Nacht zuvor mühsam ausgekungelte Kompromiss zur neuen AfD-Spitze fiel bei den Delegierten durch. Stattdessen gab es einen Showdown, der es in sich hat. Der deutlich macht, wie weit rechts die AfD inzwischen steht. Wie gespalten die Partei ist. Und dass der völkisch-nationalistische Flügel um Björn Höcke noch weit einflussreicher ist als bislang gedacht. Gegen ihn war ein neuer Parteichef nicht durchsetzbar.

Fast 50 Prozent der Parteitagsdelegierten stimmten für eine weithin unbekannte Überraschungskandidatin von Rechtsaußen, die Höckes Flügel vor allem mit einem Ziel ins Rennen schickte: Sie sollte verhindern, dass der in der AfD als liberal-konservativ geltende Berliner Landeschef Georg Pazderski zu Meuthens Co-Vorsitzendem gewählt wird – oder ihm zumindest einen möglichst schwachen Sieg bescheren.

Pazderski hat mit Ex-Parteichefin Frauke Petry zusammengearbeitet und war bei der Nato, er will die AfD in die Regierung führen und sich dafür auch vom rechten Rand abgrenzen. Und, was der Flügel gar nicht mag: Pazderski hat das Parteiausschlussverfahren gegen Rechtsaußen Höcke unterstützt. Kurz: Für Höckes Flügel gehört Pazderski schon fast zu den „Altparteien“ – und auf keinen Fall an die Spitze der AfD.

Die weithin unbekannte Doris von Sayn-Wittgenstein, Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein und Rechstaußen in der Partei, trat an und traf mit ihrer Rede „die Seele der Partei“, wie Gauland es nennt. Sie verkündete, erst 2016 in die AfD eingetreten zu sein, als diese eine „mehr patriotische Richtung“ genommen habe. Sie sagte Sätze wie: „Das ist nicht unsere Gesellschaft“, „Ich wünsche mir, dass die anderen bei uns um Koalitionsgespräche betteln“ und „Nur der Nationalstaat hält die Demokratie am Leben.“ Dazu etwas Hass auf „Antifanten“ und Verständnis für Russland. Das reichte. Sayn-Wittgenstein bekam 49 Prozent der Stimmen, nur wenige mehr, und sie wäre tatsächlich Parteichefin neben Meuthen geworden.

Irgendwann steht Höcke zur Kandidatur bereit

Damit hat der Flügel einen Kompromiss gesprengt, der Pazderski unter gewissen Zugeständnissen zu Meuthens Co-Chef gemacht hätte. Und gezeigt: Ohne uns läuft es in der AfD nicht. Am Ende bekamen die völkischen Nationalisten genau das, was sie ohnehin wollten: Fraktionschef Alexander Gauland trat als Meuthens Co-Chef an, Pazderski und Sayn-Wittgenstein zogen zurück, Gauland wurde gewählt.

Nun hat der Flügel genau jene Parteichefs, die er sich gewünscht hat. Zwei, die zu ihm stehen und sich schützend vor Höcke stellen. Und er muss noch nicht einmal selbst Verantwortung übernehmen. Denn Meuthen und Gauland betonen gern, dass sie nicht Mitglied der rechten Strömung sind. Und wenn die beiden Fehler machen wie vor ihnen Petry und Lucke: Irgendwann steht Höcke zur Kandidatur bereit.

Mehr zum Thema: Wahlkrimi beim Parteitag – Gauland und Meuthen neue AfD-Chefs und Aktionen in Hannover – Blockaden verzögern AfD-Parteitag

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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