„Anne Will“ über Koalitionsfragen: Talk ohne Rezept

CDU, SPD und Grüne diskutieren, wie es weitergeht in Berlin. Die Suche nach einer Koalition bringt auch die Talkshow-Routine aus dem Tritt.

Laschet, Weil, Will, Bittig und Göring-Eckardt im Studio

Richtig gestritten haben sich Laschet, Weil und Göring-Eckardt nicht. Sie mussten sich erklären Foto: dpa

Bei der Besetzung einer Talkshow-Runde gibt es ein einfaches Grundrezept: Man nehme ein politisches Zankthema der Woche, eine Regierungsvertreterin, einen Koalitionspartner (der im besten Fall eine etwas abweichende Meinung hat), ein bis zwei Oppositions-Positionen und ganz wichtig: jemanden dazwischen. Das ist dann meist ein Hauptstadtjournalist oder eine Wissenschaftlerin, die sich nicht allzu quasig ausdrücken und sachlich einordnen können.

Ganz so routinert lassen sich in diesen Tagen allerdings die TV-Sessel nicht mehr besetzen. Talkshows müssen jetzt schon das vorwegnehmen, was eine Minderheitsregierung für den politischen Diskurs bringen würde: wechselnde Mehrheiten.

Bei „Anne Will“ ging es am Sonntagabend wieder um das Scheitern der Sondierungen. „Regierungsbildung extra-schwer – wie geht es weiter in Berlin?“ war der Titel. In der Runde saßen Katrin Göring-Eckardt von den Grünen, die beiden Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD, Niedersachsen) und Armin Laschet (CDU, Nordrhein-Westfalen) sowie der Staatsrechtler Ulrich Battis.

Das Ende der liberalen CDU?

Für welche Positionen wurden sie nun besetzt? Laschet als Regierungsvertreter und Merkelverteidiger. Weil spiegelte in seinen ausweichendenen Antworten an diesem Abend die Zerrissenheit der SPD ganz gut wider – irgendwo zwischen der Angst vor nochmaliger Großer Koalition und der Unsicherheit der Tolerierung einer Minderheitsregierung oder gar einer Neuwahl.

Nur die Rolle von Katrin Göring-Eckardt schien klar: „Die Grünen werden die härteste Oppostion machen, die sie je gemacht haben“, kündigte sie an. Sie sieht nicht nur in der neuen AfD-Fraktion einen Rechtsruck: „Die liberale Merkel-CDU wird es wahrscheinlich nicht mehr geben. Wir werden ein Parlament haben, in dem verschiedene Parteien auf verschiedene Art versuchen werden, rechts zu sein“. Die anderen waren da nicht ganz ihrer Meinung. Göring-Eckardt male zu schwarz, sagte Battis. Und Laschet wollte die liberale CDU noch nicht aufgeben: „Mal abwarten“, kommentierte er Göring-Eckardts Analyse.

Und dann war die einzige Kontroverse, die einer klassischen Talkshow-Logik folgte, auch schon wieder vorbei. Mögliche Regierung gegen mögliche Opposition. Ansonsten ging es vor allem darum, Positionen genauer zu erläutern und die Frage zu stellen: Was soll das bedeuten?

Strategie der SPD

Zum Beispiel: Hat Martin Schulz einen schweren strategischen Fehler begangen, indem er sich so früh und immer wieder gegen eine Große Koalition ausgesprochen hatte? Stephan Weil wich aus: „Wir haben eine ganz spannende Woche hinter uns.“ Ja, so kann man das auch sagen. Und Weil betonte, was sämtliche SPD-Politiker*innen dieser Tage sagen: Nach acht Wochen Jamaika-Sondierungen kann die SPD jetzt nicht innerhalb weniger Tage ein detailliertes Positionspapier aus der Tasche zaubern. Lieber Große Koalition oder doch eine schwarz-grüne Minderheitsregerung tolerieren? Denkverbote solle es aber bitte nicht geben, so Weil. Das ist kein flammendes Plädoyer für eine Minderheitsregierung. Das kam allerdings von Ulrich Battis. Er sehe darin „die Stunde der Parlamentarier“, eine historische Chance also.

Macho-Runde

Und was ist mit Merkel? Wenn sie als Verhandlungsführerin in den Sondierungen gescheitert ist, warum steht sie jetzt trotzdem weiter an der Spitze der Regierungsbildung? Laschet erklärte, die CDU habe als Wahlsiegerin natürlich die federführende Verantwortung in den Gesprächen. Auch jetzt, wo wieder alles auf Null steht.

Der interessantere Gedanke dazu kam aber eigentlich von Katrin Göring-Eckardt: „Was behauptet und zugeschrieben wurde, hat wahrscheinlich viel damit zu tun, dass wir meistens die einzigen beiden Frauen im Raum waren.“ Das sei angesichts des sehr männlichen Auftretens der anderen eine große Herausforderung gewesen, deutete sie an.

Die Regierungsbildung wird sich vielleicht noch bis in das nächste Jahr ziehen – Überraschungen nicht ausgeschlossen. Wie es weitergehen soll, ist auch eine gute Frage für das Format Talkshow. Wenn man sich jetzt Wohl oder Übel auf die Suche nach einem neuen Rezept machen muss – und sei es nur für die Übergangszeit – könnte es nicht nur die Stunde der Parlamentarier, sondern auch die der Talkshows werden. Könnte. Der Sonntagabend war es noch nicht.

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