Kommentar „Ende Gelände“: Brücke ins Bürgerliche

Der Klima-Protest im Tagebau Hambach war auch deshalb erfolgreich, weil die Unterstützung in anderen Milieus wächst.

ein Mann und eine Frau in gelben Warnwesten, beide haben den rechten Arm erhoben, er hält eine Zahnbürste, sie eine Klobürste

Ende Gelände: So geht Protest Foto: Tim Wagner

Für die AktivistInnen ist es ein riesiger Erfolg: Rund 4.000 Menschen waren am Sonntag für das Bündnis „Ende Gelände“ unterwegs, um im Vorfeld des UN-Gipfels in Bonn für Klimagerechtigkeit zu streiten. Etwa 3.000 von ihnen haben es in den Tagebau Hambach geschafft, zwei Bagger und ein Förderband stillgelegt und fast schon routiniert die Bilder produziert, die seit Jahren um die Welt gehen: Weiß gekleidete Menschen in den Kratern der Abraumhalden, die mit Transparenten den sofortigen Ausstieg aus der Kohle fordern.

Der Zeitpunkt kurz vor dem Weltklimagipfel war strategisch klug gewählt – viel besser als im Sommer, als es dieses Jahr die erste Aktion von Ende Gelände, aber keinen Termin gab, der für die internationale Mobilisierung getaugt hätte. Diesmal kam nach Schätzungen des Bündnisses rund die Hälfte der TeilnehmerInnen aus dem Ausland. Denn auch dort – in den Niederlanden, den USA, England oder Australien – gibt es immer wieder Aktionen mit ähnlichem Design. Vernetzung und Erfahrungsaustausch funktionieren, wechselseitige Solidarität ist da.

Der Erfolg ist deshalb nicht nur daran zu messen, dass so viele Menschen wie nie schnell und gekonnt ihren Weg in den Tagebau gefunden haben. Sondern er besteht vor allem darin, dass die Bewegung gewachsen ist und Rückhalt findet, sowohl international als auch szeneübergreifend. Letzteres ist vor allem für die bundesdeutsche Klimaszene wichtig: Der Brückenschlag von Ende Gelände ins Bürgerliche, der sich in den vergangenen Jahren noch schwierig gestaltete, ist geschafft.

Allein die Tatsache, dass die Aktion trotz Novemberkälte und dem durchsichtigen Versuch der Polizei, durch das Verbot des Camps politisch Einfluss zu nehmen, überhaupt stattfinden konnte, liegt an der gewachsenen Akzeptanz des Bündnisses: Hunderte Bonner und Kölner Haushalte boten den AktivistInnen kurzfristig Schlafplätze an.

Die Sichtbarkeit wird erhöht

Aktionen fürs Klima und gegen Kohle werden von einer immer breiteren Basis von Menschen unterstützt – längst nicht nur in der radikalen linken Szene, sondern auch und vor allem im grünen und umweltbewegten Milieu. Schon am Samstag waren bei der Klimademo in Bonn, zu der die großen Umweltverbände aufgerufen hatten, nach Angaben der Veranstalter rund 25.000 Menschen auf die Straße gegangen. Campact macht auf der Bühne Stimmung für Ende Gelände, das Publikum jubelt. Die Linkspartei ruft sowohl zur Demo als auch zu den Aktionen des zivilen Ungehorsams auf.

Und auf beiden Veranstaltungen haben sich Menschen eine rote Linie übers Gesicht gemalt, ein Symbol für das Ende der Tagebaue. Auch wenn die AkteurInnen von Demo und Aktion nicht deckungsgleich sind – es geht ihnen um dasselbe. So wird die Sichtbarkeit erhöht, nur so wächst der Druck auf die Politik, auch während der derzeitigen Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl. Ende Gelände steht weiter an der Spitze der deutschen Klimabewegung – aber die erste Reihe wird breiter.

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war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erscheint mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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