Schriftsteller Akhanlı zurückgekehrt: Ende eines Zwangsaufenthalts

Die Türkei hatte Doğan Akhanlı in Spanien festsetzen lassen. Nun kehrte der in Köln lebende Schriftsteller nach Deutschland zurück.

Doğan Akhanlı sitzend

Doğan Akhanlı, hier vor wenigen Tagen in Madrid, kehrt nach Deutschland zurück Foto: dpa

BOCHUM taz/dpa | Nach monatelangem Zwangsaufenthalt in Spanien ist der türkischstämmige Regimekritiker Doğan Akhanlı zurück in Deutschland. Der in Köln lebende Schriftsteller ist am Abend auf dem Düsseldorfer Flughafen eingetroffen. Dabei kam es auf dem Düsseldorfer Flughafen zu einem Zwischenfall: Ein Mann beschimpfte Akhanli auf Türkisch, woraufhin sich der Autor lautstark zur Wehr setzte. Sein Anwalt zog ihn schließlich von dem Mann weg. Nach Angaben des Anwalts bezeichnete der Mann ihn als „Landesverräter“.

Akhanli war am 19. August in einem Hotel im andalusischen Granada von der spanischen Polizei verhaftet worden. Der 60-Jährige hatte dort seit vier Tagen Urlaub mit seiner Lebensgefährtin gemacht. Grund der Festnahme war ein Ersuchen der Türkei über Interpol. Begründet wurde diese sogenannte „Red Notice“ mit dem Vorwurf, der Schriftsteller sei 1989 in einem Raubmord in Istanbul verwickelt gewesen. Aus Mangel an Beweisen wurde Akhanli zwar 2011 freigesprochen – doch in einem Revisionsprozess wurde dieser Freispruch 2013 wieder kassiert.

Wahrer Grund der Verfolgung sei aber seine kritische Auseinandersetzung mit der türkischen Politik und Geschichte, meint nicht nur Akhanli selbst: Für „eindeutig politisch motiviert“ hält das Verfahren auch der Schriftstellerverband PEN, der 56.000 Unterschriften für seine Rückkehr nach Deutschland gesammelt hat: Akhanli ist Autor von Büchern wie „Die Richter des jüngsten Gerichts“ in denen der Völkermord an den Armeniern und die Zeit der Militärherrschaft thematisiert wird.

Auch Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien hatten die Festsetzung des Schriftstellers als Versuch der Regierung des autokratischen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gewertet, einen unliebsamen Kritiker mitten in Europa einzuschüchtern. Zwar wurde Akhanli, der von 1985 bis 1987 in einem türkischen Militärgefängnis einsaß, 1991 in Deutschland Asyl beantragte und nach seiner Ausbürgerung durch die Türkei 1998 nur noch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, nach Intervention der Bundesregierung schon einen Tag nach seiner Festnahme auf freien Fuß gesetzt – Spanien verlassen durfte er zunächst aber nicht.

Spanische „Annehmlichkeits-Jurisdiktion“

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) sprachen daraufhin von einem Missbrauch von Interpol durch die Türkei. Europapolitiker wie David McAllister (CDU) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP) forderten, als Konsequenz die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zur EU endgültig zu beenden.

Dabei sei auch der Ort von Akhanlis Festnahme kein Zufall, kritisierte dessen spanischer Anwalt Gonzalo Boye. In Spanien herrsche eine „Annehmlichkeits-Jurisdiktion“: Das EU-Land sei „ein bequemes Territorium, aus dem jedwedes Land relativ leicht die Auslieferung von ihm reklamierter Personen erreichen kann“, schrieb Boye auf den Seiten der Netzzeitung „eldiario.es“.

Entsprechend viel Zeit ließ sich die spanische Regierung, um über den Fall des Schriftstellers zu entscheiden. Erst am vergangenen Freitag entschied das Kabinett, Akhanli nicht an die Türkei auszuliefern. Danach mussten der Autor und seine Lebensgefährtin noch sechs Tage auf ihre Reisepapiere warten. Ursprünglich war ihre Rückkehr nach Deutschland bereits am späten Mittwochabend erwartet worden. „Respektlos“ sei nicht nur diese erneute Verzögerung, sagt Mercedes Pascual vom Akhanli-Unterstützerkreis – und tröstet sich: „Die spanische Bürokratie ist einfach nicht schneller.“

Immerhin: Der Schriftsteller hat die Zeit seines unfreiwilligen Spanien-Aufenthalts genutzt. Er hat die Geschichte seiner kafkaesken Verfolgung durch die Türkei via Interpol aufgeschrieben. „Ich hatte ein Ziel“, sagte Akhanli vor seinem Abflug in Madrid: „Bevor ich abreise, will ich das Buch beenden.“

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