Debatte Strategien der „Männerrechtler“: Getarnte Antifeministen

Rechte „Männerrechtler“ versuchen, in progressiven Milieus Fuß zu fassen. Dazu ist ihnen fast jede Form der Mimikry recht.

Drei Paar Schuhe sind zu sehen: Frauenlackschuhe, Kinderschuhe, braune Herrentreter

Nur die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie ist der AfD und den Männerrechtlern etwas wert Foto: dpa

Die Alternative für Deutschland war gerade in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingezogen, da erschien 2016 auf der Website des antifeministischen Vereins MANNdat ein Interview mit dem frisch gewählten Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider. Er forderte eine „zeitgemäße Geschlechterpolitik“.

Das Konzept des Gender Mainstreaming wolle „einen neuen Menschen schaffen“, die „herrschende Politik“ verkläre „den beschleunigten Verfall unserer Gesellschaft mit Schwachsinnsbegriffen wie ‚Regenbogenfamilie‘ “. Die AfD dagegen trete ein für die Ehe aus Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen. „Wir müssen das Übel an der Wurzel packen: Scheidungen und Trennungen sollten rechtlich erschwert werden.“

Der Kampf gegen den „Genderwahn“ ist ein zentrales, oft unterschätztes Thema in Rechts­ex­tremismus und Rechtspopulismus. Selbst ernannte „Männerrechtler“ haben diesen Feldzug seit Jahren mit vorbereitet. Das offenherzige Interview, in dem sich MANNdat und ein AfD-Parlamentarier über ihre „ideologisch verblendeten“ Gegner(innen) schnell einig waren, ist dennoch eher die Ausnahme von der Regel. Meist wollen Antifeministen den umgekehrten Eindruck erwecken: Sie geben vor, eine seriöse Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft zu sein.

Dieses Mimikry-Spiel beginnt schon bei der Sprache. Ihre Vereine nennen sich „Forum So­ziale Inklusion“, „Geschlechterpolitische Initiative“, „Väter-Netzwerk“ oder „Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechterdemokratie“. Der kürzlich gegründete maskulinistische Dachverband „Interessengemeinschaft Jungen, Männer, Väter“ präsentiert sich ganz ähnlich wie das vom Familienministerium geförderte und tatsächlich genderdialogisch orientierte „Bundesforum Männer“. Dass bei Nichtinsidern auf diese Weise Verwechslungen provoziert werden, ist beabsichtigt. Die Namen der Zusammenschlüsse sollen harmlos klingen, am besten progressiv und aufklärerisch. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um Frauenhasser und Anti-Gender-Aktivisten.

Durch die linksliberale Tür schmuggeln

Sie reden von „Freiheit“, „Zivilgesellschaft“ oder einer „neuen Bürgerbewegung“. Auf ihren Webseiten und vor allem in den Kommentarspalten aber wird deutlich, in welch trüber Brühe die Mitglieder und Anhänger dieser Vereinigungen schwimmen. Weil die Wirksamkeit außerhalb des Netzes gering ist, tarnen sich die Organisationen im öffentlichen Raum.

Männerrechtler versuchen zum Beispiel, mit etablierten, aber schlecht informierten Institu­tionen zu kooperieren. So gelang es 2011, gleich mit mehreren Rednern auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Gleichstellung im Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) aufzutreten. WZB-Chefin Jutta Almendinger, während der Planungsphase im Ausland unterwegs, wurde von ihrem Kollegen und Quotengegner Jens Alber vor vollendete Tatsachen gestellt. Beliebt ist auch der Versuch, Politiker zu wohlwollenden Statements auf eigenen Veranstaltungen aufzufordern. Vor einem sogenannten Gender-Kongress in Nürnberg wurden 2014 monatelang Grußworte aller Parteien angekündigt. Erst als sich herumgesprochen hatte, dass die Tagung eher ein „Anti-Gender-Kongress“ sein würde, hagelte es Absagen.

Als salonfähiges Eingangstor nutzen die Maskulinisten auch linksliberale Publikationen. Der Gießener Psychosozial-Verlag ist einst im Umfeld des friedensbewegten Analytikers Horst-Eberhard Richter entstanden, eines integren und des Rechtspopulismus vollkommen unverdächtigen Moralisten. Erstaunlich, dass dort 2009 der Sammelband „Befreiungsbewegung für Männer“ erschien: Die Autoren sahen sich diskriminiert durch staatlich geförderten Feminismus, stilisierten ihr Geschlecht zum benachteiligten Opfer. Viele Beiträge leisteten, in der Rückschau betrachtet, Vorarbeit für die heutige Programmatik der AfD. Sie fantasierten von der „Machtergreifung der Frau“, schimpften über „Umerziehungsaktionen“ des „neuen Tugendstaats“.

Aus dem Kreis der Verfasser bildete sich der maskulinistische Verein Agens. Der vorgeblich „geschlechterdemokratisch“ orientierten Arbeitsgemeinschaft gelang es 2012 auf einem Männerkongress der Universität Düsseldorf sogar, zum Mitveranstalter aufzusteigen. Die Besucher(innen), vorwiegend Fachkräfte aus Medizin und Psychologie, mussten den Eingang unter „Nazis raus“-Rufen passieren. Die Antifa-Parole wirkte maßlos übertrieben, doch dem Organisator Matthias Franz gaben die Proteste offenbar zu denken. Die nächste Veranstaltung führte er lieber in Kooperation mit dem Bundesforum Männer durch.

Das antifeministische Verwirrspiel durchschauen

Auch der Psychosozial-Verlag wollte nicht in den Ruf geraten, rechte Ideologie zu verbreiten. Die von dem Innsbrucker Bildungswissenschaftler Josef Christian Aigner verantwortete Anthologie „Der andere Mann“ ist der Versuch, das beschädigte Image des Hauses aufzupolieren. Allerdings schimmern in manchen Passagen erneut die Vorbehalte gegen Gleichstellung und „Genderismus“ durch. Unnötig, dass sich Aigner ausgerechnet auf den Tagesspiegel-Kolumnisten Harald Martenstein beruft, der in stets ironischem Tonfall über Geschlechterfragen schreibt und sich in der Rolle des arroganten, „politisch unkorrekten“ Besserwissers gefällt.

Franz, Aigner und Martenstein sind selbstverständlich keine Nazis, sondern politisch eher liberal eingestellt, aber sie spielen sich gern als Verteidiger der vermeintlich bedrängten Männer auf. Der Blogger Arne Hoffmann, der den Internetauftritt Genderama betreibt, verortet sich gar auf dem „linken Flügel“. Er hat einst für rechtspopulistische Medien wie die Junge Freiheit geschrieben, heute distanziert er sich, vor allem von pöbelnden Männerrechtlern im Netz. Auch das gehört zur Mimikry-Strategie. Denn Hoffmann ist nicht links, sondern bestenfalls libertär – und in Geschlechterfragen bestimmt nicht progressiv.

Wer in der Politik, in Stiftungen, Verlagen, Forschungsinstituten oder Universitäten mit getarntem Antifeminismus zu tun hat, sollte das Verwirrspiel durchschauen – und dem Maskulinismus keine Bühne bieten.

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