Schröder verteidigt Rosneft-Posten: Problem? Was für ein Problem?

Bei einem Wahlkampfabend in Niedersachsen zeigt sich der Exkanzler unbeeindruckt von der Kritik. Und doziert seine Ansichten zur Russland-Politik.

Gerhard Schröder spricht in ein Mikrofon

„Ich bin nicht benutzbar“: Gerhard Schröder am Mittwochabend in Rotenburg Foto: dpa

ROTENBURG taz/dpa | Für das beschauliche Rotenburg an der Wümme in Nordostniedersachsen war es der Höhepunkt des Wahljahres: Gerhard Schröder sollte kommen. Und er kam. Von ganz hinten schritt er durch den Saal Richtung Podium, umringt von Fernsehkameras.

Solche Situationen kann Schröder genießen, immer wieder. Richtig gemütlich sah er dabei aus, im dunkelblauen Hemd, zwei Sessel standen auf der Bühne – für ihn und für den lokalen Bundestagskandidaten Lars Klingbeil. Klingbeils politische Karriere begann als studentischer Helfer im Team Schröder, nun hilft Schröder Klingbeil, klar. Und nur Klingbeil stellte die Fragen an diesem Abend.

Aber zunächst musste Schröder sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen, zum dritten Mal, wie der Oberbürgermeister Andreas Weber stolz verkündete. Schröder nutze die Szene für seine erste Pointe: „Das ist ja ein teurer Stift – kann ich den behalten?“, fragte er. Über Mikrophon wurde das im Saal übertragen. Gelächter, Beifall. Die Frage, wie wichtig ihm das Geld ist bei dem avisierten Rosneft-Aufsichtsratsposten, stellte sich danach nicht mehr.

Dass das Rosneft-Thema gleich zu Beginn abgehandelt werden sollte, war offenbar abgesprochen. Droht Hannover 96 der Abstieg aus der Bundesliga, fragt Klingbeil zum Einstieg. Nein, sagt Schröder, „weil die den richtigen Aufsichtsratsvorsitzendenden ausgewählt haben“. Und der heißt Schröder. Die Nachfrage, was an den neuesten Gerüchten sei, Schröder solle sogar Aufsichtsratsvorsitzender bei Rosneft warden, erspart Klingbeil seinem Gast.

Wahl für den 29. September geplant

Stattdessen fragte er ganz allgemein nach Schröders Motiven. Seine Wahl in den Rosneft-Aufsichtsrat ist für den 29. September geplant. Die Personalie hatte vor allem bei Union und Opposition Kritik ausgelöst – auch weil Rosneft wegen der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim mit EU-Sanktionen belegt worden ist. Selbst SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz distanzierte sich von Schröders Plänen. Außenminister Sigmar Gabriel hingegen stellte sich am Mittwochabend erneut hinter seinen Parteigenossen Schröder und warf der Union eine bewusste Skandalisierung der Ambitionen des Altkanzlers vor.

SPD-Außenminister Sigmar Gabriel sagte am Mittwoch in einem live im Internet übertragenen Spiegel-Interview zu der Kritik an Schröders Ambitionen: „Ich glaube, dass in Wahrheit ein politisches Spiel stattgefunden hat. Dass Schröder, Klammer auf, SPD, Klammer zu, dazu benutzt wurde, um die Sozialdemokraten damit zu triezen.“ Und weiter: „Es gibt kein Erkenntnisinteresse, es gibt ein Interesse, das zu skandalisieren.“

Der Union hielt Gabriel vor, in anderen Situationen die Russland-Kontakte Schröders genutzt zu haben. Er nannte die Vermittlung bei einer Geiselnahme deutscher OSZE-Beobachter in der Ostukraine. Zu den Berichten, nach denen Schröder den Chefposten im Rosneft-Aufsichtsrat übernehmen soll, sagte der Vizekanzler: „Wenn er Chef ist, umso besser, hat er ein bisschen was zu sagen.“

Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hingegen kritisierte Schröders geplantes Engagement. „Ich wundere mich, wie wenig Widerstand aus seiner eigenen Partei kommt“, sagte er in Kulmbach bei einem Wahlkampfauftritt für die CSU. Schröder bezeichnete er als „Gazprom-Gerd“ – und plagiierte eine FAZ-Titelzeile: „Alte Liebe Rosneft nicht.“ (dpa)

Schröder doziert: Rosneft sei der weltgrößte Erdölkonzern mit wichtigen Beziehungen zu Deutschland, ein internationaler Konzern – große Anteile hält zum Beispiel BP. 2016 konnte die Nachrichtenagentur Tass nach einem Gespräch von Rosneft-Chef Igor Sechin mit Russlands Präsident Wladimir Putin melden, dass das Emirat Katar und die Schweizer Firma Glencore 10,5 Milliarden Dollar zahlen wollten für die Übernahme von 19,5 Prozent an dem Staatskonzern. Derzeit sei die Mehrheit des neunköpfigen Aufsichtsrates nicht russisch, erklärte Schröder.

Zusammengefasst: „Ich habe kein Problem damit und denke nicht daran, mir eines machen zu lassen.“ Und: „Ich werde das tun. Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich – und nicht die deutsche Presse.“

Gegen eine „Dämonisierung Russlands“

Das ist sozusagen die private Seite des Job-Angebotes für den 73-Jährigen. Aber da gibt es natürlich auch Schröder den Außenpolitiker. Es sei „aus ökonomischen und politischen Gründen nicht klug, Russland zu isolieren“, erklärt Schröder. Er sei dagegen, einen „neuen Kalten Krieg“ vom Zaun zu brechen.

„Eine Dämonisierung Russlands hilft keinem. Einbindung kann allen helfen“, sagt er Schon wegen der Energiesicherheit. Die vom Nahen Osten zu erwarten, sei auf jeden Fall riskanter. Schröder sieht seine Rosneft-Kontakte im weltpolitischen Zusammenhang: „Mag sein, dass Amerika nicht an einem stabilem Russland interessiert ist, für uns in Europa, für Deutschland ist das anders“.

Angela Merkel habe 2003 „an der Seite der Amerikaner im Irak kämpfen“ wollen, das werde häufig vergessen. Aber er habe gesagt: „Die deutsche Außenpolitik wird in Berlin und nicht in Washington gemacht.“

Klingbeil liest eine Frage aus dem Saal vor: Gab es 1989 nicht eine Zusicherung an Moskau, dass der Bereich der Nato nicht nach Osten ausgeweitet würde? Schröder weiß offenkundig darüber nicht mehr, als in den Zeitungen stand. Ja, sagt er, aber nicht schriftlich. Und dann seien Polen, Tschechen und Ungarn souveräne Staaten geworden und hätten darum gebeten, in die Nato und in die EU aufgenommen zu werden. „Das hat der russischen Seite nicht gefallen. Aber wie sollen wir souveränen Staaten dieses Recht zu verweigern?“

Schröders schlichtes Weltbild

Anders liege der Fall bei der Ukraine und Georgien, erklärt Schröder, weil das Teile der ehemaligen Sowjetunion seien. „Da wäre ich sehr viel zurückhaltender. Es sei nicht sinnvoll, über deren Annäherung an EU und Nato zu reden „ohne Gespräche mit Moskau“. Schröders Weltbild ist da schlicht.

Kein Wort darüber, dass Russland 1994 die Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine garantiert hat. Kein Wort über die baltischen Staaten, die trotz Sowjetunionsgeschichte inzwischen zur EU und Nato gehören. Für die Ukraine skizziert Schröder einen Kompromiss: Niemand könne der Bevölkerung im Donbass zumuten, dass ihre innere Sicherheit von der Polizei aus Kiew geleistet wird, sagt er. Die Ukraine müsse „ein gemeinsamer Staat bleiben.“ Aber mit föderalen Kompetenzen etwa bei den Polizeiaufgaben.

„Verglichen mit Herrn Trump ist Wladimir Putin ein hoch rationaler Mann“, sagt Schröder. Natürlich müsse man „nicht alles richtig finden, was da gemacht wird.“ Ob Putin für ihn ein „lupenreiner Demokrat“ sei? Über dieses Stöckchen, das er oft vorgehalten bekomme, werde er auch heute nicht springen, sagt Schröder. 2014 hatte er auf diese Frage einmal „Ja“ gesagt. Hat ein Schröder Sorge, dass er benutzt wird? „Ich bin nicht benutzbar.“ Ende der Ansage.

Der Spitzenkandidat Martin Schulz kommt an diesem Abend irgendwie nicht vor, Klingbeil fragt auch nicht danach. Ungefragt lobt Schröder dagegen den Außenminister Siegmar Gabriel. Und die Kanzlerin? Da hat Schröder offenbar immer noch ein Problem. Er habe im Jahre 2005 das Amt „an eine Frau übergeben, nicht ganz freiwillig“, bemerkt er beiläufig.

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