Unter neuen Freunden

Heimatvertriebene Nach ihrem CDU-Austritt macht Erika Steinbach nun Wahlkampf für die AfD. In Pforzheim lässt sie sich mit „Merkel muss weg“-Rufen feiern

Alexander Gauland und Alice Weidel (r.) feiern Wahlkampfhelferin Erika Steinbach Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Aus Pforzheim David Joram

Alice Weidel hat es wieder getan. Am Mittwochabend in Pforzheim verschwindet sie mal eben schnell vom Podium. 1.200 Menschen im Congresscentrum fällt das aber nicht auf. Die AfD-Spitzenkandidatin interessiert hier gerade genauso wenig wie ihr Kospitzenkandidat Alexander Gauland. Er sitzt neben Weidel, am anderen Ende belegt der baden-württembergische Chef Jörg Meuthen einen Sessel. Auch er wirkt eher unscheinbar – zumindest neben der Hauptrednerin des Abends: Erika Steinbach.

54 Minuten lang redet sich das frühere CDU-Mitglied in Rage. Weidel, ganz Anstandsdame, schenkt zweimal Wasser nach, während Steinbach das AfD-Vokabular herunterbetet. Die Spitzen gegen ihre Exparteifreundin Angela Merkel kommen besonders gut an. Wenn Steinbach vom „Rechtsbruch“ orakelt, den die Kanzlerin mit ihrer Willkommenspolitik 2015 begangen haben soll, johlt der Saal.

Gerne sei sie hergekommen, erzählt die derzeit parteilose Steinbach zu Beginn. Es ist ihr einziger Auftritt im AfD-Wahlkampf. Im badischen Pforzheim hat sie ein Heimspiel: Bei den Landtagswahlen 2016 räumte die AfD hier ab wie in keiner anderen Stadt im Ländle: 24,2 Prozent, stärkste Kraft – noch vor den Kretschmann-Grünen.

Zunächst geht die frühere Vertriebenenpräsidentin auf die Personalkämpfe innerhalb der AfD ein. Die seien völlig normal für eine so junge Partei. Bei den Grünen, der FDP und den „beiden SPD-Parteien“ – womit sie SPD und Linkspartei meint – würden ebenfalls Richtungskämpfe austragen. Und: „Selbst die CDU ist keine friedfertige Partei.“

43 Jahre lang hielt sie den Christdemokraten die Treue. So kennen sie und der heutige AfD-Frontmann Alexander Gauland sich denn auch schon lange aus gemeinsamen Frankfurter CDU-Zeiten. Sie verstehen sich prächtig – vereint in ihrer tiefen Abneigung gegenüber der heutigen Politik der CDU und ihrer Vorsitzenden. Die meisten Positionen der AfD seien früher Teil der DNA der CDU gewesen, behauptet Steinbach. Sie fände Merkel zwar „persönlich sehr sympathisch“, ruft Steinbach in den Saal. Aber bei der Bundestagswahl gehe es um Größeres, um „die Zukunft unseres Vaterlandes“. Selbst wenn die Kanzlerin ihre Schwester wäre, könne sie „Merkel nicht empfehlen“ Der Saal tobt. „Merkel muss weg“-Rufe ertönen. Erst recht als Steinbach nachlegt: „Der Bruch des Amtseids muss unter Strafe gestellt werden.“

Unter den Johlenden und Klatschenden sind viele, die der sogenannten Mittelschicht angehören. Viele Russlanddeutsche sind dabei. Das Steinbach-Publikum wirkt sehr südwest-spezifisch. Größtenteils fein herausgeputzt hat man sich, um den eigenen Wohlstand nicht verlegen.

Unter den Steinbach-Fans sind auch Mitglieder der „Berserker Pforzheim“ und des „Freundeskreises Herz für Deutschland“, zwei rechtsextreme Gruppen. Die Berserker nahmen unter anderem an der gewalttätigen „Hogesa“-Demo 2014 in Köln teil. Auch das ist die AfD – sogar im vermeintlich tiefbürgerlichen Baden-Württemberg.

Aber auch der Protest fehlt nicht. Vor dem Congresscentrum zählt die Polizei 550 Gegendemonstranten, die lautstark fordern, dass „Pforzheim bunt bleibt“.