Geplante „Ende Gelände“-Proteste: Blockaden in Sicht

NRW steht vor den größten Klimaprotesten, die das Land je erlebt hat. Ab Donnerstag starten die „Aktionstage“, die ersten 1.000 Aktivisten sind schon da.

Einige Klimacamper stehen vor einem großen gelb-braun gestreiften Zelt, davor sind kleinere blaue, grüne und braune Zelte zu sehen

Zelte in Tarnfarbe? Nein, die Klimacamper machen auf sich aufmerksam Foto: dpa

ERKELENZ/MANHEIM taz | Vom Klimacamp in Erkelenz ist ein riesiger Bagger des Tagebaus Garzweiler schon zu sehen – dabei ist das Braunkohleloch noch fast zehn Kilometer entfernt. Seit Jahrzehnten fressen sich die knapp 100 Meter hohen Maschinen Richtung Westen. Dabei haben sie 15 Ortschaften erst in vernagelte Geisterdörfer verwandelt und dann verschwinden lassen. Vor der „Devastierung“ stehen sieben weitere Orte.

Knapp 80 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid haben die aus Garzweiler und dem südlicheren Tagebau Hambach versorgten umliegenden vier Großkraftwerke allein 2016 in die Atmosphäre gejagt. Für etwa ein Drittel der Klimaemissionen des bevölkerungsreichsten Bundeslands Nordrhein-Westfalen ist die Braunkohle verantwortlich.

Ab Donnerstag wollen sich dem Tausende AktivistInnen in den Weg stellen – NRW steht vor den größten Braunkohle-Protesten, die das Land je erlebt hat. Schon heute sind mehr als 1.000 Leute in den beiden Klimacamps am Lahey-Park an der Kölner Straße in Erkelenz vor Ort. Weitere 150 bereiten sich im „Camp for Future“ am Tagebau Hambach in Kerpen-Manheim auf die „Aktionstage“ vor.

Das Spektrum der Aktionsformen ist groß: Geplant sind eine Menschenkette zum Schutz der Reste des ökologisch einzigartigen Hambacher Forsts („Rote Linie gegen Kohle“), Fahrraddemos und auch Blockadeaktionen: Die Aktion „Kohle erSetzen“ will die Zufahrt zu einem der Braunkohlekraftwerke dichtmachen, betont aber, bei der gewaltfreien Blockade werde das Gelände des Tagebaubetreibers RWE nicht betreten – AktivistInnen könnten also maximal wegen Ordnungswidrigkeiten belangt werden.

Die Aktionen sollen gewaltfrei bleiben

„Wir werden die Braunkohle-Infrastruktur effektiv blockieren“, sagt auch Insa Vries von der Aktion „Ende Gelände“. Die Gruppe ist bekannt, nachdem es knapp 1.000 ihrer AktivistInnen 2015 geschafft hatten, in den Tagebau Garzweiler vorzudringen: Ein Schaufelradbagger 261 wurde besetzt, drei der sieben Fördermaschinen standen still. Ähnliche Aktionen gab es 2016 in der Lausitz.

Möglich ist aber auch eine Blockade der Bahnstrecken zwischen Tagebauen und Kraftwerken: „Die Braunkohle wird dort direkt verfeuert“, sagt Vries. „Wenn der Nachschub unterbrochen wird, ist mit der Kohleverstromung erst einmal Schluss.“ Wie Klimacamp-Sprecher Christopher Laumanns betont sie, dass alle Aktionen gewaltfrei bleiben sollen – und sich weder gegen PolizistInnen noch gegen RWE-Beschäftigte richteten.

Insa Vries, „Ende Gelände“

„Wir werden die Braunkohle-Infrastruktur blockieren“

Denn wie schon 2015 dürfte der Konzern versuchen, mithilfe der Polizei gegen die Umweltschützer vorzugehen: Bei der Garzweiler-Räumung setzten die Beamten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Danach stellte RWE Anzeigen wegen Hausfriedensbruch. Deshalb verurteilt wurde bisher allerdings niemand, da die kilometerlangen Abbruchkanten der Tagebaue nicht „umfriedet“, also klar gekennzeichnet waren.

Allerdings: Mittlerweile hat RWE am Tagebau Hambach entlang der Trasse der für den Abbau verlegten Autobahn 4 meterhohe Erdwälle aufschütten lasen. Zudem stehen an den Rändern der Tagebaue nun Hunderte Warnschilder: „Werksanlagen – absolutes Betretungsverbot für Betriebsfremde“. Sabotageaktionen, wie sie etwa von der Gruppe „Zucker im Tank“ angekündigt werden, seien „Straftaten und Gewalt“, auf die seine Beamten „angemessen reagieren“ würden, erklärte dazu der zuständige Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach.

Streit um Klimafolgen

Wie weit die Positionen zwischen Klimaschützern und Braunkohlelobby entfernt sind, zeigte sich am Sonntag in der Erkelenzer Stadthalle. Aktivisten und Wissenschaftler warnten dort vor den Folgen einer wachstumsfixierten Wirtschaft: Die drohende Klimakatastrophe könnte Millionen zur Migration zwingen.

Für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie argumentierte Bezirksleiter Manfred Maresch dagegen, ohne Braunkohle gingen an sonnen- und windarmen Tagen „die Lichter aus“. Überhaupt: Klimaschutz in Deutschland bringe gar nichts, meinte der IGBCE-Mann. Und: „Das Weltklima ist nicht im rheinischen Revier zu retten.“

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