Neue Frauenbeauftragte in Bremen: Die neue Frau für alle Frauen

Bettina Wilhelm aus Schwaben soll neue Chefin der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau werden: Wahltermin ist Ende August

Bettina Wilhelm weiß, wie steinig Karrierewege Frauen oft gemacht werden Foto: dpa

BREMEN taz | Bettina Wilhelm ist nicht nur vielseitig, sondern die 52-Jährige hat vor allem jenes Stehvermögen, das Frauen auf den oft verschlungenen und steinigen Wegen durch die Karriere brauchen. So gesehen ist sie prädestiniert, neue Frauenbeauftragte in Bremen zu werden, ganz weit weg von ihrer Heimat, mit der sie nicht nur Positives verbindet. Gestern hat der Vorstand der Bremischen Bürgerschaft ihre Wahl auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung gesetzt, die am 22. August beginnt.

Wilhelms größte Niederlage war zugleich eine der wichtigsten Weichenstellungen, an denen die Mutter von zwei Kindern beteiligt war: Im Herbst 2012 wollte Wilhelm Oberbürgermeisterin von Stuttgart werden. Sie kam im ersten Wahlgang aber über magere 15 Prozent nicht hinaus.

Die SPD, der sie nahesteht und von der sie nominiert worden war, und die Grünen in der Schwabenmetropole waren da schon seit mindestens zwei Jahrzehnten einander in herzlicher Abneigung verbunden. Zuerst hatten die Sozis 1996 verhindert, dass mit Rezzo Schlauch erstmals ein Grüner OB wurde. Acht Jahre später verhalf dann der Grüne Boris Palmer dem amtierenden Stadtoberhaupt Wolfgang Schuster (CDU) zu einer zweiten Amtszeit: Statt als dritter, aussichtsloser Bewerber im zweiten Wahlgang anzutreten, erklärte er, selbst nun den Christdemokraten zu wählen.

Den Teufelskreis von Foul und Revanchefoul durchbrach Wilhelm, die die „Mutter Courage des Ostens“, die zu früh verstorbene SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, als Vorbild bezeichnet. Sie trat zum zweiten Wahlgang nicht mehr an, und mit Fritz Kuhn, früher Chef der Bundespartei und der Bundestagsfraktion, wurde erstmals ein Grüner Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt.

Die Landesfrauenbeauftragte leitet die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, eine 1980 gegründete Landesbehörde.

Ihr Amt wurde 1982 geschaffen: Ausgeübt haben es bislang Ursel Kerstein (bis 1994) und Ulrike Hauffe. Direkt vom Parlament für zwölf Jahre gewählt, verfügt sie über maximale Autonomie.

Als bahnbrechend gilt die Etablierung weiblich besetzter staatsanwaltschaftlicher Sonderdezernate zur Aufklärung von Gewalttaten gegen Frauen und die Durchsetzung einer Frauenquote, dank der eine gleich qualifizierte Bewerberin einem männlichen Konkurrenten im öffentlichen Dienst vorzuziehen ist.

Wirklich gedankt hat ihr diesen politisch vernünftigen Schritt niemand. Die gelernte Sozialpädagogin klopfte danach in mehreren Städten an, wollte unter anderem Erste Bürgermeisterin in Göppingen werden, zog aber immer den Kürzeren. Spezielle Erfahrungen begleiteten ihren steinigen Weg schon früher. Als sie 2005 in Aalen Oberbürgermeisterin werden wollte, stand auf dem amtlichen Wahlzettel hinter den Namen des Konkurrenten als Berufsbezeichnung „Bürgermeister“ und hinter ihrem „Diplompädagogin“. Da habe es am Ende keinen interessiert, „dass der Mann zehn Mitarbeiter geführt hat und ich als Fachbereichsleiterin im Ludwigsburger Rathaus 400“.

In Schwäbisch Hall strich SPD-OB Hermann-Josef Pel­grim den Bürgermeister-Posten, den sie seit 2009 bekleidete. Die 38.000-Einwohner-Stadt mit ihrem mittelalterlichen Kern sollte einen Baubürgermeister bekommen. Dafür aber kam Bettina Wilhelm, bis dahin zuständig für Bildung, Soziales, Kultur, Sport, Touristik, Stadtmarketing und Gleichstellung, wie die Frauen-Agenden im Südwesten weichgespült heißen, nicht infrage.

„Ich plane gern“, sagt sie von sich selber. Schon mit 24, als sie studieren wollte und die erste Tochter kam, blieb der Erzieherin nichts anderes übrig, als sich und die Familie gut zu organisieren und Berufs- und Lebensweg dazu. Einmal wird sie auf einer Pressekonferenz in einem Interview gefragt, ob das auch bedeutet, dass die berechnend sei. Wilhelm schüttelte stirnrunzelnd ihre dunkle Lockenmähne: Zwischen Planung und Berechnung sei ein gewaltiger Unterschied. „Wenn Sie als Erzieherin anfangen und irgendwann Bürgermeisterin werden, sind viele Zwischenschritte nötig.“

Bremen ist sicher mehr als ein Zwischenschritt. Viel spricht dafür, dass die Skandinavien-Liebhaberin keine Probleme haben wird, dort anzukommen: Mitarbeiter berichten, wie gut Bettina Wilhelm sich in neue Situationen einfädeln kann, wie pragmatisch sie sich auf Gegebenheiten einzustellen vermag.

„Meinem Schwäbisch Hall“ wünscht sie jetzt zum Abschied, „dass die Netzwerke, die entstanden sind“, fortbestehen und die „Menschen das weitertragen“. Sie hoffe, „dass diese Offenheit bleibt“. Das darf wohl auch als Seitenhieb auf ihren Ex-Chef Pelgrim verstanden werden. Der übernahm mit ihrem Ausscheiden am 31. März kurzerhand Wilhelms Zuständigkeiten zusätzlich zu den Aufgaben eines Oberbürgermeisters.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.