Protest auf Schlafentzug

LAGER-STREIT

Am Ende durften sie doch, irgendwie, aber nicht alle, die wollten, und auch nicht überall: Ob Aktivist*innen während des G20-Gipfels in Hamburg zelten dürfen oder nicht, darüber hatten Anmelder*innen und die Stadt teils schon wochenlang gestritten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 28. Juni entschieden hatte, dass Protestcamps als politische Demonstrationen zu behandeln seien, zog sich die Hamburger Innenbehörde dann auf eine – aus ihrer Sicht wohl das Allernötigste beschreibende – Linie zurück: „Es kann Protestcamps als Versammlungscamps geben, aber keine Übernachtungscamps“, so sagte es am Dienstag dieser Woche erneut Innensenator Andy Grote (SPD). Denn: Man wisse, dass dahinter „die militante, autonome Szene“ stehe.

Zeitweise wachten also martialisch ausgerüstete Polizist*innen darüber, dass keine zum Schlafen geeigneten Zelte aufgestellt würden, während sich Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte teils erneut mit der Sache befassten. Ein zunächst beantragtes großes Zeltlager im Hamburger Stadtpark wurde nicht genehmigt, stattdessen kleinere nahe dem Altonaer Volkspark und auf der Elb-Halbinsel Entenwerder, aber nirgendwo durfte geschlafen werden. Das Camp auf Entenwerder räumte die Polizei am Sonntag und wurde erst im Nachhinein von einem Gericht bestätigt – für Kritiker*innen ein ernstzunehmender Übergriff der Exekutive, die vielleicht auch einfach mal klar machen wollte, wer das Sagen hat.

Am Mittwoch gab dann das Oberverwaltungsgericht der Beschwerde der Camp-Anmelder teilweise statt: Bis zu 300 Schlafzelte für jeweils höchstens drei Personen durften aufgeschlagen werden. Auch erlaubt: bisher zu gefährlich erachtete „Waschgelegenheiten sowie eine Küche zur Selbstversorgung“.

Danach tolerierten Behörde und Polizei dann auch im Altonaer Volkspark Schlafzelte – ebenfalls bis zu 300, dazu auch 50 Toiletten. Unklar war am Freitag, ob sich an diesem Kurs noch etwas ändern würde. Angesichts teils schwerer Ausschreitungen seit dem Vorabend sagte der Innensenator am Freitagmittag, „maßgeblicher Ausgangspunkt“ der Krawalle sei das Protestcamp im Altonaer Volkspark gewesen.

Der Hickhack könnte also wieder losgegangen sein. Ein Effekt des Ganzen: Das Zelt, die beinahe älteste Beherbergungsform des Menschen, wurde zum Symbol für all das Dagegensein. Die Aktivist*innen machten damit, was sie einst auch mit jener als potenziell beschlagnahmten Klobürste getan hatten. Und so stand dann zeitweise längst nicht nur vor der Roten Flora ein Kuppelzelt, darauf gesprüht: „Yes we camp“. Gut möglich, dass am Ende eher Molotow-Cocktail und Pflasterstein für diesen Gipfel stehen. Das war am Freitag offen. ALDI