Politische Mode im Iran: Der weltliche Hidschab

Mutige Designerinnen interpretieren die strengen Kleidervorschriften der Islamischen Republik neu. Das kommt nicht überall gut an.

Zwei Frauen in dunklen Mänteln und Kopftüchern gehen an Kleiderständern mit bunten Outfits vorbei

Mantel und Kopftuch sind Pflicht. Die Frage ist: Dunkel oder knallbunt? Foto: Frederic Mery Poplimont/MAXPPP

Donia schlendert durch die Straßen Teherans. Natürlich darf sie sich nicht im westlichen Stil kleiden, denn im Iran gelten für Frauen strenge Regeln. Donia trägt Kopftuch und einen schicken farbigen Mantel mit Ornamenten. Der Mantel bedeckt eigentlich ihren Oberkörper und die Arme und fällt über die Knie. So verlangt es das ungeschriebene Gesetz des religiösen Landes, aber Donia pfeift drauf. Sie trägt ihren Mantel salopp, er ist weder zugeknöpft noch geschlossen.

Vor der Islamischen Revolution von 1979 war westliche Mode im Iran akzeptiert, danach aber wurde eine Kleidung Pflicht, die einer Uniform gleichkam. Masoumeh, die damals Lehrerin war, erinnert sich: „Auf einmal gab es auf dem Markt nur Mäntel. Wir empfanden das erst mal einfach als die neue Mode. Das Kopftuch war noch nicht verpflichtend. Wir trugen gerne Mäntel und wussten nicht, dass uns bald nur schwarz, dunkelbraun und dunkelblau übrigbleiben würde.“

Mit der Zeit konnten Frauen nur noch mit einem Mantel – „Manteau“ genannt – und einem Kopftuch auf die Straße gehen. Als die Proteste gegen den verpflichtenden Hidschab, der nur das Gesicht frei lässt, scheiterten, wurde der Mantel zum ungeschriebenen Kompromiss zwischen den Religiösen und den Weltlichen.

Es kommt im Wesentlichen auf die Verhüllung an, entweder durch den Tschador, den großen, schwarzen Überwurf, oder alternativ den Manteau. Dieser sollte nicht eng, auffällig oder gar aufreizend geschnitten sein. Der dunkle Mantel wurde damit zur Uniform.

Aber das blieb nicht so. Nach 38 Jahren hat sich das Stadtbild weit entfernt von jener Dunkelheit der schwarzen, braunen und blauen Manteaus – dank mutiger Modedesignerinnen und Models.

Farben statt Uniform

Eine von ihnen ist Schirin Adschuri, die Gründerin des Modelabels Rira. „Unsere Generation wird – im Gegensatz zu den früheren Generationen – auf ihre Lieblingskleidung nicht deshalb verzichten, weil jemand uns unter Druck setzt“, sagt sie.

Maryam Farsi, Designerin

„Auch die Gläubigen wollen sich schön kleiden“

Adschuri, Jahrgang 1992, gehört zu einer Altersgruppe, die für ihre Kühnheit bekannt ist. Adschuri studiert in Teheran Modedesign. „Wir haben versucht, aus dem Manteau Mode zu machen.“ Das scheint gelungen zu sein, denn inzwischen gibt es zahlreiche Modemarken, voller Farben, wilder Muster, kreativer Schnitte, aber auch traditioneller iranischer Elemente.

Das kommt nicht überall gut an. Im Juni 2014 zeigte der ultrakonservative Parlamentsabgeordnete Ali Motahari einige Fotos von Frauen auf dem Monitor des Parlaments und forderte von der Regierung, Kleidung, die die Körperform betont, zu verbieten. Motaharis Forderung bezog sich vor allem auf eine Version des Manteau ohne Knöpfe, die offen getragen wird und den Körper nicht verhüllt.

Das Problem: Wenn Mantel und Kopftuch so getragen werden, dass sie hübsch oder sexy sind, werden sie für den Gottesstaat viel gefährlicher als die europäische Kleidung. Das findet zumindest der iranische Soziologe Amin Bosorgian. Sie erfüllten dann nämlich ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr. Vielmehr verkehren sie ihn ins Gegenteil.

Maryam Farsi, 29-jährige Modedesignerin und Gründerin von Farsi-Clothing erklärt den Trend zum modischen Manteau so: „Da wir in einem Land wohnen, wo wir Frauen unseren Körper nicht zeigen dürfen, möchten wir uns anders präsentieren.“

Instagram, der neue Basar

„Wenn wir die London Fashion Week live anschauen, sehen wir, dass wir uns anders anziehen können“, sagt Farsi. Früher war die westliche Mode nur für diejenigen verfügbar, die sich Auslandsreisen leisten konnten. Das hat sich zuerst durch das Satellitenfernsehen, dann durch die sozialen Medien verändert.

Doch die zurzeit importierten westlichen Marken würden sich nur für mittlere Altersgruppen eignen, meint Maryam Farsi. Deshalb hat sie ihre eigene Marke gegründet, anstatt für die bereits existierenden zu arbeiten. „Was ich anbieten wollte, gab es nicht auf dem Markt. Fashion ist im Iran neu. Das neue Publikum braucht etwas Eigenes, das für sich steht“, so Farsi. „Wir wollen uns nicht völlig westlich anziehen. Wir möchten unser eigenes Design tragen und es höchstens an das westliche anpassen.“

Zunächst war Instagram allerdings nicht nur das Tor zur Welt, sondern auch ein großer Markt, auf dem die Designerinnen ihre Produkte ausstellen konnten, ein virtuelles Schaufenster, unabhängig von staatlich auferlegten Beschränkungen. Doch dann erreichte die Strenge des Regimes auch die sozialen Medien. Im Februar 2016 wurden zwölf Designerinnen und Models verhaftet, deren Produkte und Fotos online gezeigt worden waren. Einige Instagram-Seiten wurden gelöscht. Deshalb sind jetzt auf den meisten Accounts nur noch Fotos von Models ohne Gesicht zu sehen. Die Abgebildeten sollen nicht in Gefahr gebracht werden.

Außer auf Modeschauen, die jeden Monat in Teheran und in einigen Großstädten stattfinden, verkaufen die Designerinnen ihre Waren online. Die großen Bekleidungshersteller hätten kein Interesse, die kreativen, außergewöhnlichen Designs massenhaft zu fertigen, sagt Designerin Schirin Adschuri. Aus Angst, es würde ihrem Geschäft schaden.

Cool genug für Berlin?

Aber können sich nicht nur Frauen der oberen Schicht derart außergewöhnliche Mäntel leisten? „Meine Kunden kommen aus allen Gesellschaftsschichten, von Superreichen bis zu Studentinnen, wobei meine Kleidung relativ teuer ist“, sagt Maryam Farsi. Sie kenne Frauen, die sich ihre Entwürfe nicht leisten könnten, aber trotzdem die Modeszene verfolgten.

Es ist klar, dass die von inländischen Designerinnen gestaltete Kleidung teurer ist als die Massenware. Aber die Exklusivität bleibt nicht lange erhalten. Beliebte Designs werden nach einer Weile von großen Unternehmen kopiert und kommen zu einem günstigen Preis auf den Markt, so Nadschme Vahedi. Die Soziologin, Feministin und Frauenrechtsaktivistin widersprichtder These, dass die Designs zur Befreiung der iranischen Frauen führen könnten: „Einige nutzen sie als Widerstand gegen den verpflichteten Hidschab, die anderen tragen sie, weil sie ihnen gefällt. Sie folgen einfach der Mode.“

Maryam Farsi sieht das anders. „Wir machen Fashion aus dem Hidschab, dadurch verweltlichen wir ihn. Wenn er nicht mehr religiös besetzt ist, können wir damit einfacher umgehen.“ Es gebe zwar weiterhin strenge Gesetze, aber Frauen könnten mit dem Hidschab spielen. Iranische Designerinnen bezeichnen ihre Arbeit nicht als politisch sondern als gesellschaftlich oder kulturell. „Wir wollen die Tabus brechen. Solange es so ist, dass wir das Kopftuch tragen sollen, bleibt die Frage, wie wir es verschönern können.“

Auf der Farsi-Clothing-Instagram-Seite sind auch Models ohne Kopftuch zu sehen. „Wenn ich ein Kleidungsstück ohne Hijdschab fotografieren lasse, dann heißt es, dass ich es mit Kopftuch nicht mag. Ich bin der Meinung, dass die Lage sich allmählich verändern wird.“

Die meisten Designerinnen aber veröffentlichen kaum Fotos ohne Hidschab. Nach der Verhaftung einiger Models herrscht Angst in der Szene. Manche professionelle Models sind ausgereist, andere sind zurückhaltend und verweigern das Gespräch.

Das iranische Regime verhindert das Zeigen des Körpers in der Öffentlichkeit. In dieser Situation symbolisiert die Kleidung die Erotik des Körpers. „In der kulturellen Struktur, in der sexistische Diskriminierung herrscht, sind der Körper, seine Schönheit und seine Kleidung das Eigentum der Frau“, so Nadschme Vahedi, die Frauenrechtsaktivistin.

„Menschen mögen Schönheit“, meint Maryam Farsi. „Auch die Gläubigen wollen sich schön kleiden, um sich besser zu fühlen.“

Ein Kollege sagt zu den Fotos der aktuellen Mäntel: „Ich finde sie so geil und cool, dass man sie in Berlin sehen könnte“. Donia in Teheran sagt dazu nur: „Dein Kollege hat bestimmt keine Ahnung vom Kopftuch.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.