Antirassistische Bibliothek: „Schwarze Frauen sichtbar machen“

Die Bibliothek „Audream“ soll Literatur und Wissen Schwarzer Frauen zugänglich machen. Das Besondere: Die Bücherei ist mobil. Projektinitiatorin Chima Ugwuoke über ihre Idee.

Projektinitiatorin Chima Ugwuoke Foto: Piero Chiussi

taz: Frau Ugwuoke, haben Sie ein Lieblingsmedium in der Bibliothek?

Chima Ugwuoke: Eines meiner Lieblingsbücher ist „Sisters and Souls“ von Natasha Kelly. Es entstand zum 20. Todestag der afrodeutschen Poetin May Ayim und versammelt verschiedene Stimmen Schwarzer Frauen. Die beziehen sich einerseits auf vergangene Kämpfe; andere zeigen aktuelle Konflikte Schwarzer junger Frauen auf. Zudem werden verschiedene Projekte vorgestellt. Das Buch könnte sinnbildlich gut für unser Bibliotheksprojekt stehen.

Wer steht hinter dem Projekt?

Wir sind ein Team, das seit Längerem politische Bildungsarbeit bei den Berliner Falken [SPD-nahe Jugendorganisation; d. Red.] macht und das rassismuskritische Festival In*vision organisiert.

25, ist Schwarze Feministin, politische Aktivistin und Landesvorsitzende der Berliner Falken, eines SPD-nahen Jugendverbands. Freiberuflich macht sie politische Bildungsarbeit.

Was hat Sie und das Team dazu bewogen, die Bibliothek zu gründen?

Wir haben immer wieder festgestellt, dass es super schwierig ist, an Texte, Erzählungen und auch Referent*innen zu kommen, die Schwarze feministische Per­spek­ti­ven vertreten – obwohl es die natürlich gibt. Wenn wir Texte gefunden haben, waren die meist auf Englisch. Die Bi­blio­thek soll die Suche vereinfachen und das Wissen leichter zugänglich machen.

Und warum mobil?

Im Wedding gibt es zum Beispiel beim Verein Each One Teach One schon das Archiv von Vera Heyer, die alles Mögliche an Werken von Schwarzen Au­tor*innen gesammelt hat. Dort kann man hingehen und sich das anschauen. Aber es ist eben nur beschränkt zugänglich. ­Darum haben wir das Format der mobilen Bibliothek gewählt.

Die mobile Bibliothek „Au­dream“ ist die Zusammenstellung von bisher rund 100 Medien mit antirassistischen, Schwarzen feministischen Perspektiven in Form von Kinder- und Jugendbüchern, Biografien und theoretischen Werken. Gebucht werden kann unter www.audream.org.

Die Bibliothek ist ein Projekt der Veranstalter*innen des antirassistischen Festivals In*vision, das vom 31. August bis zum 3. September nahe Wittstock/Dosse stattfindet. www.in-vision.org

Was finden Nutzer*innen in der Bibliothek?

Momentan haben wir etwa 100 Bücher und DVDs zu Themen wie Schwarze Geschichte oder Rassismuskritik. Wir haben auch einfach Romane, die wir toll finden, weil sie eben nicht die rassistischen und stereotypen Darstellungen von Schwarzen Menschen als Nebenfiguren, Witzfiguren oder die vermeintlich Anderen reproduzieren. Viele der Romane sind von Schwarzen Autor*innen: Das, was man alltäglich liest, muss also nicht aus einer weißen männlichen Perspektive geschrieben sein. Wir haben auch einige Kinderbücher: Auch davon sind die meisten auf Englisch verfasst oder nur noch antiquarisch zu bekommen.

Was ist das Besondere an den Kinderbüchern?

Ganz wichtig ist, dass Schwarze Kinder Hauptakteur*innen sind. Manche der Bücher beschäftigen sich mit Rassismus und Ausgrenzungserfahrungen. Andere erzählen alltägliche Geschichten darüber, was Kinder so bewegt – und wie es sie eben tausendfach über weiße Kinder gibt. Solche Geschichten sind wichtig, damit sich Schwarze Kinder positiv identifizieren können.

Was machen diese Bücher mit Kindern, die sich sonst selten in Geschichten wiederfinden?

Als Kind habe ich zum Beispiel das Buch „Erstaunliche Grace“ gelesen. Die Geschichte handelt von einem Schwarzen Mädchen, das in einem Schultheaterstück die Rolle von Peter Pan übernehmen will, von weißen Kindern dann aber zu hören bekommt, sie könne die Rolle nicht übernehmen, weil sie ein Mädchen und Schwarz sei. Vor Kurzem habe ich mir mein Buch noch mal angeschaut: Ich habe damals auf jede Seite groß meinen Namen geschrieben. Bei Diskriminierung geht es meiner Meinung nach häufig darum, dass die eigenen Erfahrungen gar keinen Raum haben.

Können Sie das genauer erklären?

Als Schwarzes Mädchen in einem mehrheitlich weißen Umfeld gibt es sehr, sehr wenige Möglichkeiten, sich zu identifizieren. Und in einer Gesellschaft, die so stark durch Rassismus geprägt ist wie die deutsche Gesellschaft, sind dann für Schwarze Mädchen die einzige öffentliche Repräsentation diese Anzeigen mit Spenden­aufrufen, die ein Kind mit Hungerbauch zeigen.

Was steht hinter dem Namen „Audream“?

„Audream“ ist eine Mischung aus dem Namen der afroamerikanischen Aktivistin Audre Lorde und aus „Our Dreams“, also „unsere Träume“.

Warum ausgerechnet Audre Lorde?

Audre Lorde hat die Schwarze deutsche Frauenbewegung wesentlich inspiriert und Frauen dazu ermutigt, ihre Geschichten aufzuschreiben. Für mich steht die Zusammenstellung der Bibliothek in Kontinuität mit dieser Frauenbewegung. Das, was Frauen da geschaffen haben, das Wissen, was sie generiert haben, soll zugänglich sein. Leute sollen darauf aufmerksam gemacht werden, um sicherzustellen, dass dieses Wissen nicht in Vergessenheit gerät. Es ist also auf unsere Art die Fortführung der Kämpfe um Sichtbarkeit und Hörbarkeit von Schwarzen Frauen und Frauen of Colour.

Wie finanziert sich die Bibliothek?

Die Startfinanzierung lief über die Falken Berlin und eine Förderung der Kreuzberger Kinderstiftung. Momentan zahlen wir das Projekt aber aus eigener Tasche und sind künftig auf Spenden angewiesen.

Wie kann man die Bibliothek buchen?

Alle Informationen über die mobile Bibliothek findet man online und dann reicht eine E-Mail. Der Verleih ist unentgeltlich. Wer etwas ausleiht, muss nur zusichern, dass die Bibliothek die Medien auch zurückbekommt. Darüber hinaus können uns Leute für Veranstaltungen anfragen, zum Beispiel für Lesungen, Workshops, Veranstaltungen mit Kindern oder Ähnliches.

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