Gegen Zwangsräumungen: Wieder Demo im Grunewald

Schon 1981 und 1989 zogen Kreuzbergerinnen und Kreuzberger ins Villenviertel, um Spekulanten vor Ort zu treffen. Nun wird diese Tradition wieder aufgegriffen.

Protest vor der Oranienstraße 35 gegen die Verdrängung zweier Geschäfte Foto: Christian Mang

Ein Ort der Spekulation war der Grunewald schon immer. Die Holzauktion, die der berühmte Gassenhauer besingt, hat mit der großflächigen Rodung des Waldes im Berliner Westen zu tun. Mit den Baumfällarbeiten war Ende des 19. Jahrhunderts begonnen worden, um Platz zu schaffen für ausgedehnte Villenkolonien. Die Armen durften dann das Holz kaufen. Erst das Dauerwaldgesetz von 2015 hat diesem Treiben ein Ende gesetzt.

Die Villen stehen aber immer noch, und in manchen von ihnen lebt das Spekulieren fort. Das behauptet zumindest die Initiative „Zwangsräumungen verhindern“. Sie ruft für Donnerstag um 16 Uhr auf, im Grunewald Gentrifizierung in Kreuzberg zu verhindern. Treffpunkt ist das Roseneck an der Ecke Hohenzollerndamm und Teplitzer Straße. Zur Orientierung: Innenstadtberliner kennen das Roseneck als Endhaltestelle des M 29.

Grunewalddemo also, und damit wären wir beim Thema Tradition. Schon 1981, auf dem Höhepunkt der Westberliner Hausbesetzerbewegung, bewegte sich die Szene mal vom heimatlichen Kreuzberg in die ferne Villenkolonie. Und siehe da: Die feinen Herren Hausbesitzer waren ganz aus dem Häuschen. Sie, die ihr Geld unter anderem damit verdienen, andere in Existenznot zu treiben, gerieten schon in Panik, wenn mal ein Megafon vor dem Gartentor trötete oder jemand „Buh“ rief.

Die zweite Auflage der Grunewalddemo kam 1989. Um zu zeigen, dass sie nicht nur den eigenen Kiez rund um den Heinrichplatz zerlegen können, zogen Kreuzberger Autonome erneut ins Villenviertel. Weil das aber schon voller Polizei war, nahmen sie das Fahrrad mit, stoppten die S-Bahn eine Station vor dem Ziel und hinterließen, ausgestattet mit Nothämmern, die ein oder andere Glasscherbe.

Um wie viel pragmatischer ist die Zielsetzung heute. Vor der Kronberger Straße 12 soll der Vermieter des Spätkaufs und der Änderungsschneiderei in der Oranienstraße 35 davon überzeugt werden, auf eine Zwangsräumung zu verzichten.

Ob besagter Vermieter, die Bauwerk Immobilien GmbH, das auch so sieht, wird zu sehen sein. Aber auch er könnte eine Tradition fortsetzen. Denn schon einmal war eine Demo der Initiative „Zwangsräumungen verhindern“ tief im Westen der Stadt erfolgreich. Bei einem Spaziergang durch Nikolassee forderten 2013 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Vermieter auf, die Kündigung eines Mieters in der Skalitzer Straße zurückzunehmen. Das Vergehen des Mieters: Er war kurzzeitig mit der Bezahlung der Nebenkosten in Verzug geraten, hatte diese aber wieder beglichen. Trotzdem war ihm gekündigt worden, und ein Gericht hatte der Kündigung stattgegeben.

Was vor Gericht nicht gelang, gelang im Grunewald. Selbstjustiz? Oder nur das Recht des kleinen Mannes und der kleinen Frau, sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. So wie damals bei der Holzauktion: „Beim Mondenschein, da kamen alte Weiber. Die mausten Holz wie echte rechte Räuber.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.