Porträt Manuela Schwesig: Unangreifbare Perfektion

Vor vier Jahren war Schwesig noch unbekannte Ministerin auf Landesebene. Seitdem hat sie sich zur souveränen Bundespolitikerin entwickelt.

Eine Frau spricht und gestikuliert

Seitschritt in die richtige Richtung? Manuela Schwesig kehrt nach Mecklenburg-Vorpommern zurück Foto: dpa

BERLIN taz | Manuela Schwesig muss die Quotenfrau geben. Es ist der Sonntagabend nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai. TV-Talkerin Anne Will will mit ihren Gästen das Wahlergebniss debattieren. Die rot-grüne Landesregierung gibt es nicht mehr, die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis in NRW seit 1947 eingefahren.

Jetzt hat die CDU die Nase vorn. Und SPD-Frau Schwesig, die Familienministerin der Republik, sitzt zwischen Wolfgang Kubicki von der FDP, dem Grünen Jürgen Trittin und Volker Bouffier, Ministerpräsident und CDU-Landeschef in Hessen, und soll das Debakel ihrer Partei erklären. Als einzige Frau zwischen drei Alphatieren, in rotem Blazer als Farbtupfer unter dunklen männlichen Politik-Uniformen.

Das wird sicher nicht ganz leicht für Schwesig. Sie ist zwar eine der fünf SPD-StellvertreterInnen, erklärt aber eher selten sozialdemokratische Bundes- oder Landespolitik. Schwesig wirbt naturgemäß eher für die Politik ihres eigenen Hauses: mehr Zeit und Geld für Familien, gleicher Lohn für Frauen und Männer, wenn sie ähnliche Arbeit verrichten, Erleichterung bei der Pflege von Familienangehörigen, Männer sollen mehr Hausarbeit verrichten, so was.

Vielleicht denken die Männer im Fernsehstudio: Die „Kleine da und ihr Gedöns“, die quatschen wir schon weg. Die sitzt doch hier sowieso nur, damit die Redaktion später nicht wieder Feuer bekommt, die Sendung sei zu männerlastig gewesen.

Irgendwann legt Schwesig dem CDU-Mann Bouffier die Hand auf den Arm, lächelt und sagt: „Herr Bouffier, machen Sie sich mal ehrlich, in der Familienpolitik sind Sie ziemlich blank.“ Und dann spult sie ab: Familienarbeitszeit, Elterngeld Plus, gebührenfreie Kitas, erleichterte Pflege für Angehörige, der Fachkräftemangel, der dringend bekämpft werden müsse. Das schöne Leben, will sie damit sagen, das gebe es nur mit der SPD. Sie redet und redet, und lässt sich nicht aus dem Tritt bringen. Nicht von Trittin, nicht von Bouffier, nicht von Kubicki.

Der ARD-Talk liefert auf unterhaltsame Weise einen Beleg dafür, dass aus der einstigen unbekannten Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen vier Jahren eine souveräne Bundespolitikerin geworden ist.

Schwerin – Berlin – Schwerin – Berlin?

2008 hatte sie in Schwerin das Sozialministerium von ihrem Parteikollegen Erwin Sellering übernommen, der damals Ministerpräsident des Landes wurde. Jetzt könnte Schwesig ihm erneut nachfolgen, am Dienstag ist Sellering wegen einer Krebserkrankung als Ministerpräsident zurückgetreten.

Für Schwesig dürfte die Rückkehr nach Mecklenburg-Vorpommern ein Seitschritt in die richtige Richtung sein. Schon möglich, dass die nächste Bundesregierung aus Union und FDP besteht. Oder aus Union, FDP und Grünen. Die Aussichten für die SPD jedenfalls sind nicht sonderlich gut – und damit auch die Berliner Aussichten für Manuela Schwesig.

Auch familiär vermag ihr der neue Posten Erleichterung verschaffen: Vorbei die Pendelei zwischen dem Job in Berlin und der Familie zu Hause, Schwesigs Tochter ist am 8. März gerade mal ein Jahr alt geworden.

Vielleicht denken die Männer im Fernsehstudio: „Die Kleine da und ihr Gedöns, die quatschen wir schon weg“

In Berlin hat Schwesig Marken gesetzt, ihre Bilanz der vergangenen vier Jahre als Fami­lienministerin liest sich wie ein Kompendium der Gender Studies: Frauenquote, ausgeweiterter Unterhaltsvorschuss, Prostituiertenschutzgesetz, Transparenz bei Gehältern, Elterngeld Plus, Nein heißt Nein im Sexualstrafrecht. Alles in Gesetze gegossen. So wie das ihr Plan war, als sie von Schwerin nach Berlin wechselte.

Das kommt an. Kämpferisch sei Schwesig, und zäh. Endlich mal eine Frauenministerin, die es ernst meint mit der Gleichstellungspolitik, heißt es bei Menschenrechts- und Familienverbänden sowie bei Nichtregierungsorganisation. Sie mache das gut, alles, was sie zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt habe, habe sie durchgesetzt.

Die „Marke Schwesig“ wirkt manchmal wie eine Maske

„Ich habe viele Ministerinnen im Familienministerium kommen und gehen sehen“, meint Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: „Aber mit Frau Schwesig gibt es eine neue Qualität.“

Nach dem „Totalausfall Kristina Schröder“, wie Schwesigs CDU-Vorgängerin von KritikerInnen gern diskreditiert wird, hat Schwesig allerdings auch leichtes Spiel: Nach einer christlich-demokratischen Ministerin, die kaum etwas für Frauen und Familien getan hat, erscheinen die Gesetze der sozialdemokratischen Nachfolgerin wie ein genderpolitischer Segen. Selbst bei der Opposition findet sie Zuspruch. Sie mache ihren „Job nicht schlecht“, findet Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag: „Sie ist authentisch und eine Familien- und Frauenministerin, die tatsächlich was will.“

Deutsches Historisches Museum in Berlin-Mitte, Empfang des ­Familienministeriums zum Weltfrauentag im März. Im Schlüterhof, dem überdachten Innenhof des ehemaligen preußischen Zeughauses, in dem früher mal Geschütze und Kanonen präsentiert wurden, hält Manuela Schwesig eine Kanonen-Rede.

Sie sagt Sätze wie: „Gleichberechtigung geht nur mit den Männern. Und ich bin froh, dass es viele moderne Männer gibt.“ Nein, sie spricht die Sätze nicht, sie ruft sie in den Saal, nach vorn gebeugt, manchmal mit geschwungener Faust. Fast wie eine Wahlkampfrede, bei der es um alles geht. Der Schlüterhof jubelt. Dann wieder senkt sie ihre Stimme und wird emotional: „Ich weiß nicht, ob es meiner kleinen Tochter Julia später als Frau mal gut gehen wird.“

Das sei typisch für die Ministerin, sagt Ulle Schwauws, das sei die „Marke Schwesig“: die unangreifbare Perfektion. Schwesig wisse sich „gut zu verkaufen“, findet die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion: „Das hat etwas Statisches. Schwesig erklärt ihre Vorhaben freundlich und verständlich. Aber immer mit denselben Metaphern.“ Das wirke oft nah, persönlich, privat, aber auch wie „eine Maske“.

Im eigenen Haus nicht bei allen beliebt

Schauws möchte nicht falsch verstanden werden: Schwesig fülle ihre Rolle als Bundesfamilienministerin gut aus, sie mache eine gute Gleichstellungspolitik, man nehme ihr ab, Feministin zu sein. Aber all die Gesetze, die Schwesig als „große Würfe verkauft“, seien „superkleine Schritte“. Zum Beispiel das Transparenzgesetz, durch das Frauen und Männer in Firmen ab 200 Beschäftigten fortan verlangen können, zu erfahren, was KollegInnen in gleichwertiger Position verdienen. „Davon profitieren nicht viele Frauen“, sagt Schauws.

Im eigenen Hause ist Schwesig nicht bei jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter beliebt. Das, was die Ministerin nach außen kommuniziere, setze sie nicht in jedem Fall bei den eigenen Leuten um. Für „die Menschen draußen“ propagiere sie Familienzeit als Lebensqualität, sagt eine Beobachterin aus dem weiterem Umfeld. Aber die Leute im Familienministerium müssten oft Überstunden machen, der Ton sei mitunter rau und kalt.

Bundestag im Mai, SPD-Ebene, die Fraktion hat zum verspäteten Frauentag geladen. Manuela Schwesig sitzt auf dem Podium und redet über die Lohnlücke, die zwischen Männern und Frauen klafft. Sie sagt: „Die Leute gucken beim Butterkauf auf 5 Cent – aber nicht genau hin bei ihrer Berufswahl und beim Einkommen.“ Um nachzuschieben: „Da müssen wir wirklich ran.“ Ein Satz, den sie häufig sagt. Fragt man sie, warum sie das als Familienministerin und im Transparenzgesetz nicht umgesetzt habe, lächelt sie und erwidert: „Wenn die SPD allein regieren würde, sähe das jetzt anders aus. Aber mit der Union sind manche Dinge nicht möglich.“

Kurz vorher hat Thomas Oppermann die Veranstaltung eröffnet. „Bei mir stehen jeden Tag viele Abgeordnete und andere Leute aus der Partei auf der Matte“, sagt der SPD-Fraktionschef und damit Hausherr: „Am häufigsten steht Manuela Schwesig auf der Matte.“ Der Rest des Satzes geht im Jubel der ParteikollegInnen unter.

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