Kolumne Right Trash: Wer Schuld hat? Ist doch klar

Der Fall Franco A. hat eine Debatte über Nazis in der Bundeswehr entfacht. Nur in rechten Medien wird die Sache ganz anders diskutiert.

OFFIZIERE DER BUNDESWEHR

Hat die Bundeswehr ein Problem mit Rechtsextremismus? Aber nicht doch! Finden rechte Medien Foto: dpa

Ein Oberleutnant der Bundeswehr wird verhaftet. Vermutlich plante er einen Anschlag. Der Rechtsextreme ließ sich als Flüchtling registrieren, beschaffte sich Waffen. An seinem Stützpunkt im französischen Illkirch finden Inspekteure Hakenkreuz-Kritzeleien auf Wänden und auf einem Sturmgewehr. An den Wänden hingen Landser-Bilder und andere „Wehrmachts-Souvenirs“. Das eigentliche Problem aber haben rechte Medien sofort ausgemacht: Flüchtlinge.

„Wenn es einem deutschen Staatsangehörigen, der keine Landessprache Syriens sprach möglich war, sich als Syrer auszugeben, wie vielen weiteren Personen war es noch möglich“, fragt Roland Tichy auf seinem rechten Online-Portal Tichys Einblicke. „Wieviel Hunderttausende Benjamins sind da unterwegs?“

Die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit postete auf Facebook eine Karikatur, in der ein Beamter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen blonden Mann fragt: „Herr Peters, Sie kommen also aus Damaskus? Dann schreiben Sie doch mal bitte was auf arabisch.“ Peters schreibt: „1,2,3“. Die Antwort des Beamten: „Willkommen in Deutschland.“

Nun zeigt der Fall des rechtsextremen Soldaten Franco A. in der Tat, dass bei der Registrierung von Geflüchteten einiges schief gelaufen ist. Dass ein Deutscher, der kein Wort arabisch spricht, sich monatelang als christlicher Gemüsehändler aus Syrien ausgeben kann, ist ungeheuerlich – was die Behörden auch eingestehen. „Es scheinen etablierte und zwingende Sicherheitsvorkehrungen, die allen Beteiligten bekannt sein müssen, nicht befolgt worden zu sein, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Wie lebt es sich in der rechten Filterblase, wenn Medien pauschal als "Lügenpresse" diffamiert werden und nur noch die Fakten zählen, die ins eigene Weltbild passen? Das fragt sich ein Team von taz-AutorInnen. Wir lesen mit, schreiben zurück oder beobachten einfach nur. Right Trash – seit Februar regelmäßig auf taz.de.

Tichy lässt es sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht nehmen, noch schnell die Gefahr durch Rechtsextreme zu verharmlosen und Geflüchtete als Terroristen und Sozialbetrüger zu verunglimpfen.

„Zum Gruseln“, seien sie, die Nachrichten über die „Nazi-Umtriebe“ in der Bundeswehr, schreibt er. „Es wird uns in allen Nachrichten gezeigt.“ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe noch mal nachgelegt mit ihrem Vorwurf, die Bundeswehr habe ein „Haltungsproblem“. Und da wird es Herrn Tichy dann zu bunt. Hakenkreuze und Landser-Plakate, Hinweise auf rechtsextreme Gesinnung, die schon jahrelang bekannt waren – das kann doch mal passieren.

Ob denn das Kunstmuseum Städel ein Haltungsproblem habe, wenn dort jemand mit Kuli ein Hakenkreuz auf die Toilette schmiert, will Tichy wissen. Offensichtlich sei, dass Franco A. „ungeeignet für die Offizierslaufbahn“ sei, ringt er sich ab. Dass er sie trotzdem einschlagen konnte, ist in seinen Augen von der Leyens Schuld – weil sie sich zu viel „um Transgender-WCs gekümmert“ habe. Neben Geflüchteten sind also auch trans*-Personen Schuld daran, dass Nazis in der Bundeswehr sind.

„Ungeeignet“, dieses schwache Wort hat Tichy nicht zufällig gewählt. Er vermeidet das Adjektiv „rechtsextrem“ konsequent: „Das eigentlich Skandalöse ist nicht der (bis zum Beweis des Gegenteils) Einzelfall des Versagens bei der Personalwahl der Bundeswehr“, schreibt er. Nicht der Nazi an sich ist also das Problem, sondern seine Position. Und skandalös ist der Fall in Tichys Augen also schon mal gar nicht.

Neben Geflüchteten sind also auch trans*-Personen Schuld daran, dass Nazis in der Bundeswehr sind

Viel schlimmer ist für ihn die Tatsache, dass A. so lange unerkannt als Flüchtling durch ging. Und das Hauptproblem daran, ist, dass Geflüchtete ja nun mal tendenziell Terroristen sind und sich noch dazu auf Kosten der Steuern zahlenden Bevölkerung bereichern. So wie bei, Zitat Tichy: „den Taliban-Kämpfern, die als Asylbewerber anerkannt oder zumindest geduldet werden, in jedem Fall also Unterhalt bis hin zur Rente erwarten dürfen“.

Was ist schon ein einsamer kleiner Nazi angesichts solcher Missstände? Den Fall Franco A. in eine solche Richtung zu drehen, ist reichlich unappetitlich. „Bis zum Beweis des Gegenteils“ sei von einem Einzelfall zu sprechen?

Nun denn:

Das Bundesverteidigungsministerium geht derzeit davon aus, dass sich im Umfeld von Franco A. ein kleines rechtsextremistisches Netzwerk innerhalb der Bundeswehr gebildet hat. Bis zu fünf Personen sollen dazu gehören. Das berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Militärische Abschirmdienst prüft derzeit 275 rechtsextreme Verdachtsfälle in der Bundeswehr aus den Jahren seit 2011. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf ein Regierungspapier. Aus dem Jahr 2017 stammen bisher 53 Fälle. 11 Soldaten wurden nach rechtsextremen Vorkommnissen aus der Bundeswehr entlassen.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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